Blutsgeschwister
empfindet.« Er strich mit dem Handrücken über ihre Brust, über ihr Herz. Seine Finger bebten im Takt ihres Herzschlags.
Fancy konnte nicht glauben, dass er sie so berührte. Konnte nicht glauben, dass sie es zuließ.
»Ich würde alles geben, wenn ich dich dazu bringen könnte, etwas zu empfinden«, sagte er. »Besonders für mich.«
Unter seiner Berührung entfachte sich etwas.
AUS FANCYS TRAUMTAGEBUCH:
Kit lackierte meine Fußnägel mit dem Blut von jemandem – ich wusste nicht, von wem – und beschrieb diese merkwürdige Stellung beim Sex, die sie mag. Kit erzählte mir, dass der Trick darin bestand, den Kopf verkehrt herum aufzusetzen. Genau so, sagte sie und drehte meinen Kopf nach hinten. Da sah ich Ilan hinter mir im Fenster sitzen. Ich fragte ihn, was er glaubte, in meinem Haus zu suchen zu haben, und er sagte, Ich bin hier, um dir den Kopf geradezurücken. Dann öffnete er seine Jeans.
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
Fancy wachte am Samstagnachmittag verschwitzt auf. Ihre Hand tat weh, weil sie den Bleistift, mit dem sie ihre Träume aufschrieb, fest umklammerte. Er war in zwei Hälften gebrochen. Die Bruchstellen hatten rote Punkte in ihrer Handfläche hinterlassen. Sie setzte sich auf und las, was sie geschrieben hatte, so wie sie es nach dem Aufwachen immer tat. Dann sah sie sich wild im Zimmer um. Halb erwartete sie, Ilan würde sie durch die Fliegengitter beobachten, halb war sie verärgert, dass er es nicht tat.
Fancy stieß die Decke weg und ging in Maddas Zimmer. Die Fensterklimaanlage war voll aufgedreht, und es fühlte sich an, als wäre man in einem Iglu. Fancy warf sich in Maddas Bett. Madda rollte zur Seite und sah sie schläfrig an. »Was ist los?«
Fancy kuschelte sich an sie. »Es ist zu heiß in unserem Zimmer.«
»Ich dachte, ihr Mädchen würdet in der Hitze aufblühen.«
»Kit ist nicht da.«
»Wo ist sie?«
»Ich weiß es nicht. Sie spricht nicht mehr mit mir, jetzt, wo sie ihren tollen Gabriel hat.«
»Du wirst auch bald einen Freund haben.«
»Ich will keinen. Wie kann sie bloß einen wollen?«
»Benimm dich nicht wie ein kleines Mädchen, Fancy. Du kannst nicht alles für Kit sein.«
»Ich war es aber.«
»Dinge verändern sich.«
»Veränderungen sind Mist. Fast sosehr wie Kits widerlicher Freund.«
»Sie hört nicht auf, dich zu lieben, nur weil Gabe in ihrem Leben ist. Sie ist deine Schwester.«
»Und Daddy ist dein Ehemann. Du hast aufgehört, ihn zu lieben.«
»Nein, das hab ich nicht.«
»Du sprichst nicht mal mehr mit ihm. Oder über ihn.«
Madda drehte sich auf den Rücken und legte einen Arm über ihre Augen. »Weißt du warum?«
»Weil du herausgefunden hast, dass er ein Mörder ist, und jetzt hasst du ihn.«
»Weil ich herausgefunden habe, dass er ein Lügner ist.« Die Klimaanlage war so laut, dass Fancy sie kaum hören konnte. »Wenn er mir von den Leuten erzählt hätte, die er umgebracht hat … Vielleicht hätte ich ihn verlassen, vielleicht nicht. Darum geht’s nicht. Es geht darum, dass er mir nicht genug vertraut hat, um mir die Wahl zu lassen. Es ist ein großes Risiko, jemandem sein wahres Ich zu zeigen. Dazu braucht man eine Menge Mut, die Sorte Mut, die eine Frau bewundern könnte. Aber er hat beschlossen, sich mir nicht zu zeigen. Ich musste ihn erst im Keller mit dem Arm dieses bemitleidenswerten Kerls erwischen und dann in den verdammten Nachrichten davon erfahren. Das kann ich ihm nicht verzeihen.«
Stille. Dann fragte Fancy: »Kennst du mein wahres Ich?«
»Du bist fünfzehn. Ich weiß nicht, ob es schon ein wahres Du gibt. Noch nicht. Aber wenn du es herausfindest, dann hoffe ich, dass du weißt, dass du mir vertrauen kannst. Du und auch deine Schwester.«
Fancy hörte zu, wie Maddas Atem ruhiger wurde, als sie wieder in den Schlaf glitt. Sie wusste, wer sie war. Wusste es genau. Sie wünschte sich, den Mut zu haben, es Madda sehen zu lassen.
Fancy erwachte in Maddas Bett. Es war dunkel, fast zehn Uhr abends laut den roten Ziffern, die sie in der Dunkelheit anstarrten. Fancy konnte nicht glauben, dass sie den ganzen Tag geschlafen hatte. Oder vielleicht konnte sie es doch. Sie hatte irgendwo gelesen, dass exzessives Schlafen ein Zeichen für eine Depression war. Genau so fühlte sie sich – schlecht und leer. Fancy machte das Licht an.
Alte Marmeladengläser bedeckten fast jede Oberfläche des Raums. Sie waren voll mit Zeugs wie Kleingeld, gelben Trompetenblumen, sogar Goldfischen. Frisch gewaschene Arbeitskleidung lag
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