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Blutsgeschwister

Blutsgeschwister

Titel: Blutsgeschwister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dia Reeves
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hatte nicht den abgebrühten Ausdruck eines Insassen, war nicht wild und ungepflegt. Sogar auf dem Verbrecherfoto sah er heiter und liebevoll aus, so wie Jesus auf einem Verbrecherfoto aussehen würde.
    »Was ich getan habe«, sagte er, »hatte nichts damit zu tun, was ich für dich und Kit fühle. Und für Lynne. Ich liebe euch.«
    »Na und? Du glaubst, du kannst einfach nur sagen ›Ich liebe euch‹, und schon ist alles wieder gut? Nichts ist gut.«
    »Nichts war je gut. Wir sind, wer wir sind, Fancy. Nichts kann das ändern. Aber wenn da genug Liebe ist, kann man es manchmal ignorieren, wie … abscheulich der Rest der Welt ist.«
    »Dann hab ich wohl noch nicht genug. Weil ich ganz deutlich sehe, dass alles Mist ist.«
    Sie warf einen Stein auf den Wasserball, und er zersprang. Es blieben nur Regen und Stille. Und Einsamkeit.

AUS FANCYS TRAUMTAGEBUCH:
    Kit sagte mir, ich wäre total schlecht darin, ein echtes Mädchen zu sein. Sie sagte, falsche Mädchen wären leicht zu erkennen, weil sie nicht ›Ich liebe dich‹ sagen konnten. Jedes Mal, wenn ich versuchte, es zu sagen, fiel mein Kinn ab.

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
    Nachdem Mr. Hofstram sie am Freitag aus dem Kurs entlassen hatte, ertappte sich Fancy dabei, wie sie mit Ilan rausging. Nicht direkt mit ihm, aber es war so leicht, mit ihm Schritt zu halten. Als er schließlich vor der Eingangstür der Standard -Lobby stehen blieb, blieb sie ebenfalls stehen. Und wartete.
    Er freute sich nicht über ihren Anblick. Er hatte seinen Arm nicht während des Unterrichts auf ihre Rückenlehne gelegt. Er hatte nicht mit ihr gesprochen. Aber er hatte es gewollt, das wusste sie. Er hatte immer wieder den Mund aufgemacht, um etwas zu sagen, doch dann hatte er ihn wieder zugemacht und finster auf seine Staffelei geschaut.
    Aber jetzt sagte er etwas.
    »Was hast du mit Tony gemacht?«
    »Mit wem?«
    »Tony Castle. Stell dich nicht dumm. Er ist verschwunden, gleich nachdem ich dir von ihm erzählt hab.«
    »Oh. Der.« Durch die bullaugenförmigen Fenster der Eingangstüren konnte Fancy die Straße sehen, die Bank dort draußen, wo eine Gruppe Kids saß und wahrscheinlich auf ihre Fahrgelegenheit wartete. Sie saßen da, wo noch vor ein paar Tagen überall Blut gewesen war. Denn so lief es ja: Man beseitigte die Sauerei und machte weiter.
    »Warst du bei ihm?«
    »Ja.«
    »Hast du ihn umgebracht?«
    »Ja.«
    »Wegen dem, was ich über ihn gesagt habe?«
    »Nein. Weil er ein Arschloch war. Und ich benutze das Wort nicht leichtfertig. Er ist jetzt an dem glücklichen Ort.«
    »Wie kannst du das sagen? Wie kannst du mir das sagen?«
    Sie fand es seltsam, dass er sich mehr darüber aufzuregen schien, dass sie es ihm gebeichtet hatte, als darüber, dass sie es getan hatte.
    Jungs waren merkwürdig.
    »Ich hab gesehen, wie du mit den Hunden umgegangen bist. Wie du dich geschützt hast. Du hast beschlossen, dir würde nichts passieren, und so war es. Man muss stark sein, damit die Welt nach dem eigenen Willen läuft, auch wenn es eine ausgedachte Welt ist. Jemand, der so stark ist, hat keine Angst vor der Wahrheit.«
    Er wartete, bis eine Gruppe durch die Tür gegangen war und das Gebäude in den hellen Nachmittag verlassen hatte, bevor er sagte. »Ich will Tony sehen. Bringst du mich zu ihm?«
    »Gut. Aber nur, weil mir langweilig ist. Nicht weil ich mit dir rumhängen will.«
    Er ging nach draußen, und Fancy folgte ihm. Sie staunte wieder darüber, wie leicht sie miteinander Schritt hielten.
    Der glückliche Ort sah heute besonders hübsch aus. Fancy stand mit Ilan auf der Plattform und bewunderte die Aussicht. Juwelenfarbene Vögel zwitscherten in den Bäumen, das Gras war auf Hochglanz poliert. Die Flamingos waren verschwunden, aber flauschige pinkfarbene Kaninchen hatten ihren Platz eingenommen und hüpften verspielt um die Steinkreise. Es war völlig anders als beim letzten Mal. Doch Fancy hätte ihn genauso gut an einen leeren Platz bringen können. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf die Gitarre gerichtet, die er in den Händen hielt, ein massives hölzernes Instrument mit einer schwarzen Signatur auf dem Körper.
    »Die gehörte Tony«, sagte er. »Er liebte das Ding. Hat sich von dem verfluchten Prince ein Autogramm draufgeben lassen. Tony hat sie mir gegeben und gefragt, ob ich für ihn auf sie aufpassen kann. Er wusste, wenn sein Dad sie fand, würde er sie verpfänden oder bei einer Wette verlieren oder so was. Jedes Mal, wenn er eine Probe verpasst oder einen von der Band

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