Blutsgeschwister
vorbei, der neben der geöffneten Motorhaube seines Trucks stand, und Fancys Drang, etwas zu sagen, schrumpfte.
Er war alt und kahl unter seiner Truckerkappe, die so schmutzig weiß war wie sein Truck. Er trug ein weißes T-Shirt und Jeans, die tief unter seinem beeindruckenden Bierbauch saßen. Offensichtlich war er nicht aus der Stadt, denn Porteraner trugen immer schwarz, außer sonntags in der Kirche. Es war eine kulturelle Sache, so zollten sie Respekt davor, dass der Tod, genau wie die Monster, sie immer umgab.
»Hey, Mädels!«
Die Schwestern bremsten, hielten aber nicht an.
Die ruhige, zweispurige Straße, die die Schwestern entlangradelten, gehörte zum historischen El Camino Real. Sie führte durch den Wald, direkt an ihrem Haus vorbei, und seit es die Autobahn gab, herrschte hier kaum Verkehr.
»Habt ihr Handys?« Er versuchte, sie mit seiner Kappe heranzuwinken. »Ich muss telefonieren wegen ’nem Abschlepper oder so! Dieser Truck …« Er hielt inne, als wäre es ihm unerträglich, darüber zu reden, wie sein Truck ihn im Stich gelassen hatte.
»Ich hab ein Handy«, rief Kit und zog wieder ihre quirlige Show ab.
»Hast du nicht«, zischte Fancy und hielt neben ihrer Schwester, gegenüber von dem Alten und seinem Truck.
Kit hüpfte von ihrem Fahrrad und zog ein Handy aus der Tasche mit den Schallplatten und flüsterte: »Ich hab’s von der Verkäuferin geklaut. Ich hab ihre gesamten Freiminuten benutzt, um Leute in Houston und Miami anzurufen. Und in Japan.«
»Keine gute Tat bleibt ungesühnt«, warnte Fancy.
Aber Kit ignorierte sie und ging über die Straße. Sie winkte dem Alten mit dem Handy zu. »Hier ist es! Und wenn Sie noch Spiele und Songs runterladen wollen, wo Sie schon mal dabei sind, dann ma…«
Der Alte riss Kit das Telefon aus der Hand und warf es in den Wald. Bevor auch nur eine der Schwestern darauf reagieren konnte, legte er seinen Arm um Kits Hals und hielt ihr einen schmierigen Schraubenzieher an die Wange.
»Du!«
Die Härte seiner Stimme ließ Fancy zurückweichen. Wie hatte sie sich so schnell von harmlos in biestig verwandeln können? »Komm rüber. Bleib genau da stehen. Motorhaube zu. Gut, und jetzt rein in den Truck.«
Fancy machte alles, was der Alte ihr sagte, und dann formte sie mit den Lippen ein »Ich-hab’s-dir-gesagt« in Kits Richtung, während er nervös die Straße nach Verkehr scannte. Kit machte einen genervten Schmollmund.
Der Alte schob Fancy auf den Rücksitz in den heißen, muffig riechenden Truck, wo es keine Griffe gab, um rauszukommen. Ein Netz verhinderte, dass sie auf den Vordersitz kriechen konnte. »Bleib da sitzen«, sagte er durch das geschlossene Fenster. Jetzt, da er die Kontrolle über die Situation hatte, war er ruhig. »Bleib da sitzen, bis ich dich hole. Bis dahin werden deine Schwester und ich uns ein bisschen näher kennenlernen.« Als er seine geäderte Nase an Kits Wange rieb, wurde ihr Blick noch genervter.
Der Alte stieß Kit vor sich her in den Wald, und schon bald waren sie in dem dichten Blattwerk verschwunden. Fancy fing an zu zählen, und als sie bei fünfzig angekommen war, ertönte ein gequälter Schrei, der den Wald zum Verstummen brachte.
Fancy hörte den Schrei wieder, gerade als Kit aus dem Wald gerast kam. Sie grinste, als sie die Tür des Trucks öffnete, um Fancy zu befreien.
Die Luft draußen fühlte sich fast kühl an, im Vergleich zum Inneren des Trucks. Fancy fächelte sich mit ihrem Hut Luft zu und warf Kit einen bösen Blick zu. »Ich hab dir doch gesagt, sprich nicht mit Fremden.«
Das Grinsen verschwand. »Okay. Du hattest recht. Ich geb’s zu.« Kit breitete die Arme aus, so weit sie konnte, wie um den gesamten Wald zu umarmen. »Hört ihr das, Fledermäuse und Hasen? Fancy hatte recht und ich nicht!«
Die einzige Antwort war ein weiterer Schrei.
»Was hast du mit ihm gemacht?« Sie sah Kit bewundernd an. »Und das in nur fünfzig Sekunden?«
»Sieh’s dir an.«
Die Schwestern eilten zurück in den Wald und stapften im Gänsemarsch einen Trampelpfad entlang. Sie fanden den alten Mann regungslos am Rande des Pfads auf einem Bett aus Kleeblättern und …
Fancy lachte. »Leichenfleddererfreude?«
»Genau.« Kit zeigte auf die samtigen, elfenbeinfarbenen Blumen, die den Boden unter dem Alten bedeckten. »Er hat mich auf die Knie gezwungen, und ich sollte ihn in den Mund nehmen. Als ich da auf dem Boden war, hab ich eine von den Blumen gepflückt, bin hochgeschossen und hab ihm den
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