Blutsgeschwister
sagte Ilan mit seiner kratzigen Stimme. Das Sonnenlicht, das seinen Bruder überflutete, schien ihn zu meiden. »So was bleibt hängen.«
An die Theke gelehnt plauderte Kit ganz leutselig mit den Turners, während sie die Einkäufe wegpackten. Sie war gut in so was. So quirlig, dass man fast glauben konnte, sie sei wirklich so. Normalerweise benahm sie sich nur so, kurz bevor sie jemanden bearbeitete: die Verkäuferin, Franken. Vielleicht wollte sie die Turners töten und zu Ende bringen, was Daddy angefangen hatte. Fancy musste sich eingestehen, dass die Symmetrie einer solchen Tat durchaus etwas für sich hatte, aber Madda würde sie bald abholen. Sie hatten keine Zeit für ausgleichende Gerechtigkeit.
»Hilfst du mir, das Zeug in die Speisekammer zu schleppen?«, fragte Gabriel Kit und winkte ihr mit einem Glas Roter Bete zu.
»Nein, wird sie nicht.« Ilan sah seinen Bruder streng an und sagte dann zu Kit: »Man lässt ihn besser nicht mit jungen Mädchen allein.«
»Ist er gefährlich?«, fragte Kit fasziniert.
»Er macht nur Spaß«, sagte Gabriel und sah dann zu Ilan, damit dieser ihm beipflichtete, aber das tat er nicht.
»Seine letzte Freundin«, erklärte Ilan, »hat er in sein Zimmer gesperrt und wollte sie nicht mehr rauslassen.«
»Ich hab sie nicht eingesperrt! Ich hab Dinge ausgesperrt!«
»Was für Dinge?«, fragte Kit.
Gabriel starrte beschämt auf das Einmachglas in seiner Hand. »Ich dachte, mich würden so Dinge verfolgen. Um mich zu fangen. Aber jetzt denk ich das nicht mehr. Fast nie. Mir geht’s schon viel besser.« Er sagte es zu Ilan. »Penny hat mir verziehen. Wir gehen sogar zusammen zur Bibelstunde. Alles ist cool.«
Nichts ist cool, schien Ilans Gesicht zu rufen, aber er sagte nichts.
Gabriel tat Fancy fast schon leid, weil er einen Bruder hatte, der ihm nicht zu trauen und ihn nicht mal zu mögen schien.
Kit berührte das Kreuz, das um Gabriels Hals hing. »Bist du religiös?«
»Ja.«
»Hilft dir das?«
»Bis jetzt schon.« Er schob sich näher an Kit heran und schien sich nun nicht mehr zu schämen. »Das, und zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.«
Jetzt tat er Fancy nicht mehr leid. Stattdessen arbeitete sie sich zentimeterweise zur Hintertür vor, aber Kit schenkte ihr keine Beachtung.
» Pig Liquor … Schweinealk?« Kit quietschte vor Lachen über Gabriels schwarzes T-Shirt, das vorne bedruckt war mit einem dicken, rosa Schwein in einer Schnapsflasche.
»So heißt unsere Band«, erklärte Gabriel. »Hör auf zu lachen. Wir haben zwei Wochen gebraucht, um auf den Namen zu kommen. Du bist gesetzlich verpflichtet, beeindruckt zu sein.«
»Okay, ich bin wirklich stolz darauf, eine gesetzestreue Bürgerin zu sein«, sagte Kit und zupfte Fusseln von Gabriels beeindruckendem T-Shirt. In ihren Augen blitzte der Schalk, und sie brach in Gelächter aus, als Gabriel neben ihr gegen die Theke sackte, als hätte ihre Berührung ihm alle Kraft aus den Beinen gezogen. »Und ihr geht nach Cherry Glade?«
»Klar.« Gabriel war nur wenige Zentimeter von ihr entfernt, nah genug, um sonst was anzustellen, und doch wich Kit nicht zurück. »Bin fünfzehn geworden letzte Woche.«
»Fancy ist dieses Jahr auch alt genug. Wir mussten neue Kleider und so kaufen.«
Gabriel musterte Kits Leggins. »Hab ich dich schon mal in einem Kleid gesehen?«
»Hab seit Jahren keins getragen.«
»Deshalb glaub ich an Karma«, sagte Gabriel zu seinem Bruder. »Wir gehen für Miz Annice einkaufen, und dafür werde ich Kit in einem Kleid sehen.«
»Ich bin deine Belohnung?« Der Schalk in Kits Augen verwandelte sich in schlichte Überraschung, und wie Gabriel sackte sie gegen die Theke. »Ich war noch nie die Belohnung für jemanden.«
»Was sagst du dazu, Mann?«, fragte Gabriel seinen Bruder, ohne den Blick von Kit zu nehmen, ganz so, als sei ihr plötzlicher knochenloser Zustand … appetitanregend.
Ilan streifte Kit mit einem Blick. »Sie würde nicht in die Trophäenvitrine passen.«
Fancy musste über Ilans Ironie grinsen. Sie war froh, nicht als Einzige Kits und Gabriels Benehmen nervig zu finden.
»Ich meine, Kit im Kleid zu sehen.«
Ilan sah Fancy an. »Na ja, wenn es auch nur annähernd so ist wie das, was ihre Schwester trägt ...«
Er hatte nicht Gabriels kunstvolles Haar, sondern trug stattdessen einen einfallslosen Kurzhaarschnitt mit schnurgeraden Koteletten. Er war auch nicht so groß wie sein Bruder, als ginge sein Wachstum viel schleichender voran, nicht mit einem
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