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Blutsgeschwister

Blutsgeschwister

Titel: Blutsgeschwister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dia Reeves
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dafür keine Worte fand.
    »Willst du, dass ich mitkomme und alle verprügle?«
    Fancy dachte darüber nach. »Jetzt noch nicht.« Sie streckte sich und klimperte ein paar Töne auf dem Klavier, die vage an »Three Blind Mice« erinnerten. »Wie war’s bei dir?«
    »Großartig.« Kits Gesicht leuchtete auf. »Wir lernen ›Beyond the Sea‹. Das erinnert mich an dich, weil du immer davonsegeln willst. Hör mal.«
    Kit spielte es für sie und sang beschwingt den Text. Sie hatte eine schöne Stimme, wenn sie nicht gerade aus voller Lunge kreischte.
    »Glaubst du, er hat sein Versprechen gehalten und ist zurück zu seinem Mädchen gegangen?«, fragte Fancy, als die letzten Töne verklungen waren. »Oder glaubst du, sie wartet immer noch auf ihn?«
    »Wenn er sie verlassen hat, hat sie das alles bestimmt längst hinter sich gelassen.« Kit wiederholte das Lied in einer anderen Tonart. »Das passiert, wenn sich Leute trennen. Sie kommen drüber hinweg.«
    »Wenn du weggingst, würde ich nie drüber hinwegkommen.«
    »Klar würdest du. Ich würde dir schreiben. Irgendwann. Au!«
    Fancy zwickte ihre Schwester sicherheitshalber noch einmal. »Da fällt mir ein: Hast du die Post reingeholt?«
    Die Musik hörte auf. »Ups.«
    »Ups?« Fancy schoss von der Bank hoch. »Du kannst doch nicht so vergesslich sein, Kit«, sagte sie und rannte auf die vordere Veranda. Als sie mit einem Stapel Briefe zurückkam, war sie immer noch mürrisch. »Madda würde ausflippen, wenn sie was davon wüsste.«
    »Würde sie nicht«, sagte Kit. »Sie weiß schließlich, dass die Leute uns hassen.«
    »Aber wenn sie die anderen Briefe sehen würde«, beharrte Fancy. »Wenn sie wüsste, dass die Leute wollen, dass wir für sie töten …«
    »Tun sie das?« Kit sah auf die Post in Fancys Hand. »Hat irgendjemand zurückgeschrieben und unser Angebot angenommen?«
    Fancy setzte sich auf die Bank, und zusammen gingen die Schwestern die Post durch, aber es waren nur dieselben alten Hasstiraden.
    »Ich wusste, dass unsere Werbung Zeitverschwendung sein würde«, sagte Kit und warf ihren Teil der Briefe in Fancys Schoß.
    »Es ist erst zwei Wochen her.«
    »Erst? Es ist eine Ewigkeit her, seit wir den Alten umgebracht haben. Und jetzt, da Franken weg ist, habe ich niemanden, an dem ich herumschneiden kann. Nicht, dass das besonders befriedigend gewesen wäre, aber es war wenigstens etwas. Du weißt doch, wenn man Leute ersticht, wie es ist, wenn man in sie eindringt? Man spürt, wie ihr Herz schlägt. Man spürt, wie ihr Blut fließt. Man sieht, wie sie um ihr Leben kämpfen, und in dem Moment werden sie echt und sind nicht mehr wie Aufziehpuppen. Ich vermisse das. Diese Echtheit. Weißt du, was wir machen sollten?«
    »Was?«
    »Jagen.«
    »Was jagen?«
    »Wale, du dummes Ding. Was denkst du denn? Böse Jungs! Wenn uns die Leute nicht drum bitten, tun wir’s eben freiwillig.«
    »Du denkst also, wir könnten sie einfach so mir nichts, dir nichts auf der Straße erkennen?«
    »Wir sind Jäger, Fancy. Jäger können ihre Beute riechen.« Kit schoss von der Klavierbank auf und schnappte sich Fancy, sodass diese fast ihre Briefe auf den Boden fallen ließ. »Lass uns losziehen, ein paar böse Jungs schnappen!«
    Fancy riss sich von Kit los und fragte sich, warum ihre Schwester immer so sprunghaft mit allem sein musste. »Wir können nicht einfach los. Wir müssen das durchdenken.«
    »Was gibt’s da zu denken? Das Tolle daran, einen Killerinstinkt zu haben, ist doch, dass man nicht darüber nachdenken muss.«
    »Wir können nicht einfach Leute auf der Straße niederschlagen und sie in den Keller schleifen.«
    »Der Keller.« Kits Begeisterung kühlte ein wenig ab. »Richtig.«
    »Richtig. Wir müssen erst ausprobieren, ob das Kinetoskop auch außerhalb des Kellers funktioniert. Sonst können wir unsere Spuren nicht verwischen. Warte auf mich hinterm Haus.«
    Ein paar Minuten später gesellte sich Fancy mit dem Kinetoskop zu Kit in den Küchengarten. Auch ohne den Ständer war es immer noch zu groß, um es über große Strecken herumzutragen, aber klein genug, um auf Fancys Fahrrad herumgekarrt zu werden oder in ihrem Schoß zu liegen. Kit pflückte geistesabwesend Schnecken von den Tomatenpflanzen, während Fancy am Kinetoskop herumkurbelte … Aber nichts passierte.
    »Siehst du?«, sagte Fancy. »Vielleicht funktionierte es wirklich nur im Keller. Es gibt keine Möglichkeit, die bösen Jungs alle davon zu überzeugen, zu uns nach Hause zu

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