Blutsgeschwister
verschwendet ihr eure Aggressionen an ihn?«, fragte Kit.
Die Jungs fuhren zusammen und drehten sich zu den Schwestern um, die hinter ihnen auf der anderen Seite des Trucks standen. Die Stille war so vollkommen, dass Fancy den Aufprall eines Balls vom Tennisplatz in der Nähe hörte.
»Warum verprügelt ihr ihn?«, fuhr Kit fort und betrachtete den dürren, blutenden Jungen, der sich auf dem Behindertenparkplatz zusammenrollte. Er wirkte im direkten Vergleich mit seinen Angreifern sogar noch dürrer. Sie waren durchtrainiert, so als würden sie den ganzen Tag Heuballen pressen oder irgendetwas anderes Kraftstrotzendes und Frischluftiges tun. »Von ihm ist doch kaum noch genug übrig, das sich für euch lohnt. Wenn ihr wirklich euren Frust an jemandem auslassen wollt, solltet ihr euch eine Gruppe suchen und eine schöne, altmodische Schlägerei anzetteln.«
»Das sollten wir also tun?«, fragte der Pilotenjunge.
Kit nickte. »Am Wasserturm ist eine Party, da wimmelt es nur so von riesigen, strammen Kerlen, die man viel besser verprügeln kann als den da. Meine Schwester und ich können euch den Weg zeigen.«
Der Pilotenjunge sah zu ihr rüber. »Ich seh überall schwarz, also müsst ihr von hier sein. Weshalb wollt ihr uns da helfen?«
»Weil eins sicher ist: Wenn ihr irgendeinen Scheiß am Wasserturm anfangt«, gab Kit gut gelaunt zu, »werdet ihr geröstet. Und das will ich sehen. Ist das ein guter Grund?«
Die Jungs lachten und drängten sich in den Truck. Den dürren Jungen ließen sie regungslos auf dem Boden liegen.
Das Auto war groß, die Jungs allerdings auch. Fancy musste einem der Typen auf dem Rücksitz auf den Schoß klettern, um reinzupassen. Der Junge trug grüne Bermudashorts, was Fancy abstieß. Nur die Mortmaine trugen Grün, und dieser Fiesling war so weit von einem Mortmaine entfernt, wie man als Mensch nur sein konnte.
» Die werden geröstet«, sagte der grün gekleidete Junge und zog Fancy ein wenig zu fest an sich heran. Sie hätte ihm am liebsten auf die wandernden Hände geschlagen, aber sie hielt das Kinetoskop so fest sie konnte, spähte auf den runden Bildschirm und versuchte, mit dem Anblick des glücklichen Orts ihre Nerven zu beruhigen. »Und wenn wir uns mit denen rumgeschlagen haben, dann schlagen wir uns vielleicht mit euch beiden rum.« Mehr Gelächter.
»Hast du das gehört, Fancy?« Kit war zwischen dem Pilotenjungen und Longhorn auf dem Vordersitz eingequetscht. »Wir sind Kriegsbeute. Aber nur, wenn ihr Versager gewinnt. Wie stehen da die Chancen, Fancy?«
Fancy fing schon an, die Kurbel zu drehen. »Null Prozent.«
Fast sofort erschien das innere Bild des Kinetoskops um sie herum. Es kroch die Innenseite des Trucks entlang, bis die Welt jenseits der Fenster nicht mehr zu sehen war.
»Alter?« Der Junge, der am weitesten von Fancy entfernt auf der Rückbank saß, hatte ein Mädchen auf seinen Arm tätowiert. Er zeigte auf einen pinkfarbenen Flamingo, der ihn durch das Fenster anstarrte. »Siehst du das?«
Die einzige Antwort war ein gemeinsamer Aufschrei, als das Fenster zusammen mit dem Truck verschwand. Sie fielen auf den Hintern und fanden sich auf der Plattform mit den kopflosen Statuen wieder. Die Flamingos huschten vor dem Tumult davon. Der Pilotenjunge krabbelte auf die Knie und starrte die Statuen an, als könnten sie jeden Moment lebendig werden und ihn zerstampfen. »Das ist nicht möglich«, flüsterte er und sah Kit zur Bestätigung an.
»Klar ist es das.« Sie beugte sich zu ihm wie eine schwarze Mamba, die bereit war zuzuschlagen. »Hier ist alles möglich, sogar die Schlägerei, die ihr wolltet. Erinnerst du dich?« Sie ließ ihr Springmesser aufschnappen. »Also gut. Los geht’s.« Kit nahm dem Pilotenjungen die Sonnenbrille ab und stieß ihr Messer in sein linkes Auge. Als er tot umkippte, setzte sich Kit die Brille auf und kicherte.
»Schau mal«, rief sie Fancy zu. »Ich bin ein Pilot!«
Aber Fancy hatte genug mit ihrem eigenen Jungen zu tun. Das Kinetoskop war verschwunden, sodass Fancy die Hände frei hatte, um sich das Steakmesser zu greifen, das sie in den tiefen Taschen ihrer Shorts versteckt hatte. Sie stieß damit dem Jungen mit den grünen Shorts in die Brust. Sie musste es ein paar Mal wiederholen, weil das Messer an seinen Rippen abprallte. Der dritte Versuch aber klappte, und bevor er sie von seinem Schoß stoßen konnte, versenkte sie die Klinge in seinem Herz. Sie hatte allerdings verdammt viel damit zu tun, das Messer wieder
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