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Blutsgeschwister

Blutsgeschwister

Titel: Blutsgeschwister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dia Reeves
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aus unserer Schatzkiste genommen?«
    Kits Schritte verlangsamten sich schuldbewusst.
    »Glaubst du, ich würde nicht merken, dass uns über zweihundert Dollar fehlen? Wofür hast du das Geld ausgegeben?«
    »Ach, nur so … Musikzeugs.«
    »Was für Musikzeugs? Das Dallas Symphony Orchestra?«
    »Es ist auch mein Geld.«
    »Unser Geld. Und ich hab meine eigenen Pläne, weißt du.«
    Kit schnaubte. »Willst du immer noch über die sieben Weltmeere segeln?«
    »Die Südsee . Und jetzt halt den Mund.« Fancy verließ als Erste die Brücke und wünschte sich, es wäre immer so leicht, Kit anzuführen.
    Hinter ihr sagte Kit: »Statt zu segeln könnten wir doch was Normales machen. Zum Beispiel einen Schülerjob.«
    Fancy wirbelte herum und ging rückwärts, um Kit fassungslos anzustarren. »Was?«
    »Ich könnte Klavier unterrichten, und du könntest … Was kannst du eigentlich?«
    »Leute töten. Genau wie du.«
    »Vielleicht ist es an der Zeit, mal etwas anderes zu tun.«
    Fancy stolperte über ihre eigenen Füße und fiel rückwärts in ein Beet Blutiger Annas. Kit hatte ihr bereits komplett den Wind aus den Segeln genommen, sodass ihr Sturz nur noch beschämend war. Als Kit näher kam, um ihr aufzuhelfen, explodierte der Boden in einer wogenden Blütenwolke. Ein Paar Hände blühten in der Mitte des Wegs auf wie grässliche Blumen – noch grässlicher als die Blutigen Annas, die aussahen wie sich wallende, blutrote Kleider – und schlossen sich fest um Kits nackte Knöchel.
    Kit kreischte auf und versuchte zurückzuspringen, aber die Hände hielten sie zu fest, kletterten sogar an ihren Beinen hinauf, als wären sie ein Seil, das von der Decke einer Turnhalle baumelte. Als die Leiche sich erhob, bemerkte Fancy mehr Einzelheiten. Ihre Knochen waren teilweise sichtbar, und das Fleisch, das noch da war, hatte eine fleckige graue Farbe. Sie trug ein zerfleddertes schwarzes Kleid.
    Fancy krabbelte durch den Dreck und packte die Leiche, um sie von ihrer Schwester wegzuziehen, aber sie schaffte es nicht. Stattdessen behielt sie ein Stück des Kleids in der Hand, das noch in ihrer Faust zu Staub zerfiel. Sie griff nach den Beinen, ließ sie aber angewidert los und wischte sich die Handflächen an ihrem Kleid. Die Haut der Leiche hatte sich feucht und irgendwie lose angefühlt.
    Nach ihrem ersten Schrei hielt Kit jedoch merkwürdig still in der buchstäblichen Umklammerung des Albtraums. Die Leiche stand nun aufrecht und hielt sie an den Schultern. Ihre Fingernägel waren in einem glitzernden Blau lackiert. Sie sah Kit in die Augen, obwohl die Augen der Leiche fort waren. Sie öffnete ihren lippenlosen Mund und sagte:
    »Wirst du meinen Schmerz lindern?« Eine geisterhafte weibliche Stimme rauschte durch den Wald, als würde die Luft sprechen statt der Leiche, deren Lungen von einem Tier längst aus dieser Welt genagt worden waren.
    Kit musste schlucken, bevor sie antwortete. »Ja.«
    »Meine Mutter weiß nicht, wo ich bin. Sie weint um mich.« Der Wind blies ihr Kleid zu Staub. Fancy musste husten.
    »Wie heißt sie? Wie kann ich sie finden?«
    »Amelia Dandridge. 824 St. Teresa, Sag ihr, wo ich bin. Sag ihr, dass ich nicht weggelaufen bin.«
    »Das werde ich.«
    Die Leiche sank zurück in die Erde, als sei Kits Versprechen ein Zauberspruch gewesen. Fancy dachte an die durchlässige Erde im Kopflosen Garten und hatte einen Moment lang ein unwirkliches Gefühl. »Wir sind nicht gerade aus Versehen für ein paar Minuten in den glücklichen Ort und gleich wieder rausgestolpert, oder?«
    Kit lachte. Das flüchtige Geräusch verriet, dass sie nicht so gelassen war, wie sie schien. »Das sollte ich dich fragen.« Sie sackte auf dem Weg zusammen, wiegte sich hin und her und unterdrückte ihr Gekicher, bis sie Tränen in den Augen hatte. Fancy kniete sich neben sie. Sie wollte nicht über der Leiche knien, hatte aber keine Wahl. »Kit, sch. Alles ist gut.«
    »Ich weiß, dass es gut ist. Weißt du noch, was Madda gesagt hat? Was Big Mama konnte? Was Cherry höchstpersönlich konnte? Ich! Ich kann es auch. Hast du das gesehen? Ich hab eine Leiche zur Ruhe kommen lassen.« Reine Verblüffung trat an Stelle ihres Lachanfalls. »Ich hab’s getan. Ich meine, ich werde es tun. Sobald ich es ihrer Mutter gesagt habe. Verdammt. Ich hab sie nicht nach ihrem Namen gefragt.«
    »Greenley«, sickerte die geisterhafte Stimme aus der Erde.
    Fancy sprang auf und wäre weggerannt, wenn Kit nicht lachend auf dem Boden sitzen geblieben

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