Blutsgeschwister
Strom.«
»Ist sie auch eine Hexe?«, fragte Doyle und zeigte auf Fancy. Er schwang Kits Arm wie ein ganz normales Kind, nicht wie eins, das sich mit Mordgedanken trug.
»Wenn ich eine bin, ist sie ganz sicher auch eine.«
»Was kannst du?«
Als Fancy nicht antwortete, drückte Kit Doyles Hand. »Das siehst du, wenn wir zu dir nach Hause kommen.«
»Da ist es.« Doyle zeigte auf ein winziges, rotes Haus mit einer Schaukel im Hof und Windrädchen im Blumenbeet.
Bevor sie auch nur an der Haustür waren, kam ihnen eine Frau entgegen und rannte auf Doyle zu, als hätte sie ihn erwartet. »Doyle.« Ihre Stimme war kaum zu hören. »Er sucht nach dir.«
Sie sagte »er« wie ein Christ, der sich fürchtete, den Namen Gottes auszusprechen, um keinen Zorn auf sich zu lenken.
»Wer ist sie?«
»Meine Patentante, Steffie.«
Kit trat vor und lächelte. »Hey, Miz Steffie. Wir wollten ein bisschen mit Doyle abhängen. Ist das okay?«
Steffie hatte ein junges Gesicht, einen spindeldürren Körper und einen verbissenen Gesichtsausdruck. Sie betrachtete die Schwestern nervös, als wären sie das Problem und nicht der Mann, mit dem sie zusammenlebte.
»Er mag es nicht, nachmittags gestört zu werden.«
»Was ist denn das für ein Überfall, Steffie?«, dröhnte eine Stimme aus dem Haus, weniger die Stimme Gottes als die eines unleidlichen Kindes.
Kit schob sich an Steffie vorbei und ging rein. Fancy, Doyle und Steffie folgten ihr auf dem Fuß. Sie betraten zu Fancys Freude eine kleine Kammer. Sie roch süßlich nach Zigarrenrauch und war mit dunklem Holz getäfelt. Der kleine Raum war sauber und ordentlich, bis auf den dicken Mann, der sich in einem ledernen Lehnstuhl ausstreckte. Eine Zeitung lag auf seinem Schoß, und eine Lesebrille klemmte auf der Nase. Er nahm die Brille ab, als er sie sah. Seine Augen waren bemerkenswert: goldene Iriden wie die einer Katze, mit weiten, dunklen Pupillen, die hervorstachen wie Kieselsteine, die in Bernstein gefangen waren. Er schien nicht glücklich darüber, sie zu sehen.
»Wir sind der Überfall«, blubberte Kit, als sie vor ihm stand.
»Egal, worum es geht, ich kaufe nichts.« Er faltete seine Zeitung zusammen und warf Steffie einen kalten Blick zu.
»Wir verkaufen nichts, Pate«, kicherte sie. »Pate. Ich hätte Lust, Ihren Ring zu küssen.« Kit kniete sich vor den Lehnstuhl und brachte den Paten damit ganz aus der Fassung. Sie nahm seine haarige Hand. »Keine Ringe. Nicht mal ein Ehering, was, Steffie? Aber eine Menge Abschürfungen. Woher kommen die? Haben Sie etwa ein Kind besinnungslos geprügelt?« Sie sah zu Doyle rüber, der sich in Steffies Arme drängte. »Sieht aus, als könnte er es gebrauchen. Ich seh ihm den Klugscheißer bis hierher an.«
Dem Paten schien es zu gefallen, dass Kit zu seinen Füßen saß und ihm die Hand hielt. Ein Grinsen breitete sich über seinem Gesicht aus wie ein Schleimpilz. »Ich tu’s nur aus Liebe.«
Kit riss die Augen auf. »Wie fühlt es sich an, wenn man aus Liebe verprügelt wird? Fühlt es sich so an?« Sie beugte sich vor und küsste den Paten auf dem Mund. Fancy sah angewidert zu: Kit machte ihren Job sehr gründlich.
Kit zog sich zurück und schlug dem Paten in die Eier.
»Fühlt es sich so an?«, fragte Kit, als er sich vor Schmerz krümmte.
Während der Pate noch um Luft rang, stand Kit auf und sprach mit Steffie, die ihren Mann mit einem gierigen Blick betrachtete, als würde sie jede schmerzverzerrte Grimasse genießen und aufnehmen wie Nahrung.
»Hey!«
Steffie zuckte zusammen, dann war sie wieder ganz aufmerksam und konzentrierte sich auf Kit.
»Ich sagte, warum gehen Sie nicht einfach woanders hin? Wir brauchen Sie hier nicht.« Kit sah Fancy an. »Oder?«
Fancy schüttelte den Kopf und fragte sich, wo Kit gelernt hatte, so zu küssen? Wie eine Sexbombe im Film?
»Wohin?«
»Ganz egal.«
»Ich komm schon klar«, sagte Doyle und riss sich von ihr los. »Das sind die Guten.«
Als Steffie zu lange zögerte, blaffte Kit: »Gehen Sie!«
Steffie war es gewohnt, Anweisungen zu befolgen, und fragte nicht weiter nach. »Okay, aber wir essen um sechs.«
Als Steffie weg war, setzte sich Kit auf die Armlehne des Lehnsessels und legte eine Hand auf die Schulter des Paten. »Weißt du, was wir jetzt machen?«, fragte sie Fancy.
Fancy wusste es genau. Der Pate, der sich immer noch vor Schmerz krümmte, wandte sich von ihr ab, als wäre Fancys Gesichtsausdruck noch schmerzhafter für ihn als seine Eier. Kit tätschelte
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