Blutsgeschwister
Größe von Vorschlaghämmern gebracht, sodass er zwei Meter durch die Luft flog und dann wie eine Bombe auf die Matte knallte. Obwohl es der Pate irgendwie wieder auf die Beine schaffte, hatte er keine Chance gegen Kits neue Fäuste. Als sie mit ihm fertig war, sah er aus, als hätten ihn sämtliche Bewohner eines Bienenstocks gestochen. Kit tanzte einen Jarabe Tapatío um seine wankende Gestalt. Die Menge freute sich und rief: »Olé!« Als sie fertig war, verbeugte sie sich wieder und stieß absichtlich versehentlich mit dem Hintern gegen den Paten. Als er widerstandslos zu Boden ging, lachte sie. Er stand nicht mehr auf.
Während er auf dem Rücken lag, kniete sich Kit neben seine Füße und rollte den Paten, bei den Zehen angefangen, auf wie eine Zahnpastatube, aus der sie unbedingt den letzten Tropfen rausholen wollte. Doyle stand auf seinem Stuhl und jubelte wie wahnsinnig zusammen mit der Menge. Als Kit dem Paten buchstäblich das Leben herausgepresst hatte, stand sie auf und klemmte sich die zusammengerollte Beute unter den Arm. Die glitzernde Ansagerin kam zurück in den Ring, rutschte auf den Resten des Paten fast aus, riss Kits Arm in die Höhe und erklärte sie zum Champion.
Danach brach die Hölle los. Die Menge raste, stampfte auf, klatschte und fotografierte Kit mit altmodischen Kameras, auf denen riesige lärmende Blitzlichter befestigt waren. Männer in Smokings und dekolletierte Damen erstürmten den Ring, um die Ersten zu sein, die Kit gratulierten. Unter ihnen war auch Doyle. Er war klein genug, um sich durch winzige Lücken in der Menge zu schlängeln. Fancy versuchte es eine Zeit lang, dann gab sie auf und ging zurück zu ihrem Platz in der ersten Reihe. Sie ließ Kit die Aufmerksamkeit, Kit mochte so etwas.
Kit war unter all den fein gekleideten Glücklicher-Ort-Leuten gar nicht fehl am Platz. Selbst in ihren Boxershorts wirkte sie natürlich, und vor allem schien sie sich wohlzufühlen. Fancy hatte immer gedacht, Kit würde eine Show abziehen, wenn sie quirlig und wie-geht’s-denn-so mit jedem war, den sie traf. Aber es war keine Show. Fancy wollte nicht so um die Leute herumschleimen, wie Kit es tat, aber es schien ihr nicht fair, dass Kit so viel besser darin war.
Als Kit um Autogramme gebeten wurde, wartete Fancy allein auf ihrem Platz, bis es vorbei war. Allein, bis Franken sich neben sie fallen ließ. Seine Narben hoben sich wütend von der blassen Haut ab.
»Warum kommst du dauernd her?«
»Ich wundere mich nur, dass ich es kann, wenn man bedenkt, wie scharf du darauf bist, mich umzubringen.«
Fancy konnte nicht glauben, dass der Junge, der in ihrem Keller eingesperrt gewesen war, ihr gegenüber nun so die Klappe aufriss.
»Ich weiß, dass du den Kuchen vergiftet hast.«
»Du bist davon nur eingeschlafen«, sagte sie. »Aber wenn du willst, dass ich dich vergifte …«
»Warum hasst du mich so sehr?« Er war nun schon so lange am glücklichen Ort, und doch sah er immer noch unglaublich elend aus.
»Du bist mir ziemlich egal. Kit auch. Leb einfach dein Leben.«
»Ohne sie?« Er sah niedergeschlagen aus und liebkoste sanft seine Schnittwunden, als wäre ihm jede einzelne besonders kostbar. »Könntest du das?«
»Sie ist meine Schwester.«
»Du kannst ihr nicht näher sein als ich.«
Fancy sah nachdenklich auf die Menge, die ihr den Blick auf Kit verstellte.
Eine Frau, die ein paillettenbesetztes Kleid trug, stand am Rand direkt vor Fancy. Also konzentrierte sie sich auf die Pailletten, und bald schon erschien auf Rücken und Hinterteil der Frau Kits Abbild im Ring.
Als die Kameras mit blendenden Blitzen losknipsten, posierte Kit neben einem jungen Mann ohne Kopf. Er hatte einen Kopf, aber er hielt ihn in den Armen, wie Kit es im Ring getan hatte, nur dass es bei ihm immer so war.
»Wer ist das neben Kit?«, fragte Fancy.
»Lorne«, sagte Franken. »Einer der Kopflosen.«
Fancy sah sie hinter Kit aufgefächert, eine Gruppe wunderschöner Menschen, die ihre Köpfe in den Händen hielten und das Scheinwerferlicht mit ihr teilten. Ihre Köpfe waren nicht abgetrennt worden – es war nichts Blutrünstiges oder Grauenhaftes dabei. Sie waren lediglich in zwei Teilen geboren worden.
»Sie sind wie Prominente«, fuhr Franken fort und sah zu, wie sie ihre eigenen Köpfe mit einer Zuneigung tätschelten, als wären sie verwöhnte Schoßhündchen. »Wie Models. Die Leute wollen sie immer malen oder fotografieren.«
»Oder in Stein meißeln«, sagte Fancy und dachte an die
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