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Blutskinder

Blutskinder

Titel: Blutskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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unwillkürlich so weit zu, dass sich ihre Schultern berührten. Sie wirkten ziemlich hinfällig.
    »Ruth war unsere Tochter«, sagte Mrs Wystrach nach einem um Erlaubnis heischenden Blick auf ihren Mann.
    »Sie ist unsere Tochter«, brummte er. Unter seinem Auge begann ein winziger Muskel zu zucken.
    »Ich glaube, ich verstehe nicht ganz. Ist oder war?« Louisas klare Stimme durchschnitt die stickige Luft.
    Mrs Wystrach legte ihrem Mann eine knochige Hand aufs Knie, und als sie schließlich sprach, war ihre Stimme vor Traurigkeit ganz belegt. »Nach all den Jahren wird Ruth wohl tot sein.«
    »Nein!« Ihr Mann sprang aus dem Sessel auf. »Ruth lebt noch!« Er wollte etwas hinzufügen, doch die Stimme versagte ihm.
    »Wenn sie noch am Leben ist, möchte Ruth vielleicht ihr Medaillon zurückhaben.« Roberts Stimme war sanft, geübt in der Kunst, seinem Gegenüber Informationen zu entlocken – auch wenn er sich keineswegs sicher war, ob es hier überhaupt etwas zu erfahren gab. »Ich bin sicher, dass meine Frau und meine Tochter wollen, dass die rechtmäßige Eigentümerin es wiederbekommt.«
    Abermals folgte ein langes Schweigen. Robert hörte draußen Kinder spielen und fragte sich, warum sie nicht in der Schule waren. Immer wieder prallte ein Ball mit dumpfem Geräusch auf den Asphalt. Dann begann ein Kleinkind durchdringend zu schreien. Als Robert die erboste Stimme eines Erwachsenen hörte, reckte er den Hals, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Eine sanfte Brise bauschte die alten Gardinen und in der warmen Sommerluft ertönten die vertrauten Geräusche in fast schmerzhafter Klarheit. Von irgendwoher kam der Geruch nach verbranntem Toast und ein weiteres Auto blies seine Auspuffgase ins Zimmer. Robert hatte plötzlich die Vision, die beiden Alten wären gestorben, so unbeweglich saßen sie in ihren Sesseln.
    »Ob wir Ruth wohl ausfindig machen können, um ihr das Medaillon zurückzugeben?«, fragte er. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, kam plötzlich Bewegung in Mrs Wystrach. Sie beugte sich vor und ließ den Blick durch das ganze Zimmer schweifen. Dabei hatte sie die Augen zu Schlitzen verengt und die dünnen Lippen so zusammengekniffen, dass sie kaum noch zu sehen waren.
    »Ruth finden Sie nie. Das haben schon ganz viele versucht.« Ein Blick auf ihren Ehemann erweckte auch ihn zum Leben, und er nickte zustimmend. »Ruth ist weg, verstehen Sie? Einfach verschwunden.« Mit den Händen deutete die alte Frau eine Art Explosion an und stieß dabei puffend den Atem aus.
    Für einen Augenblick sah Robert vor seinem inneren Auge ein Mädchen ohne Gesicht, das sich in Luft auflöste. Hatte sie sich vielleicht weggezaubert so wie Erin und Ruby?
    »Das tut mir leid«, hörte er sich selbst sagen. »Hat die Polizei nach ihr gesucht?«
    »Natürlich. Die Ermittlungen sind aber schon seit vielen Jahren abgeschlossen.« Mrs Wystrach zog den gestrickten Teewärmer von der Kanne und rührte den restlichen Tee um. »Möchten Sie noch was?« Robert hielt ihr seine Tasse hin. Er wollte unbedingt noch mehr erfahren. »Sie ist seit dreizehn Jahren fort. Da kann man nichts mehr machen.« Die alte Frau legte den Teelöffel neben die Kanne. »Sie sagen, sie ist wahrscheinlich tot.«
    Robert konzentrierte sich auf seinen Tee, um nicht mitansehen zu müssen, wie es im Gesicht des alten Mannes arbeitete. Offensichtlich teilte er die Resignation seiner Frau nicht. Sein gesunder Menschenverstand sagte Robert, dass es jetzt besser wäre, zu gehen. Dass es nicht gut für ihn war, wenn er noch hierblieb. Dass er womöglich etwas über seine Frau erfuhr, was er gar nicht wissen wollte, und dass ihn dieses Wissen noch tiefer in seine Ängste und Zwänge verstricken würde.
    »Mr und Mrs Wystrach, kennen Sie jemanden namens Erin Lucas? Und hat dieser Name irgendetwas mit dem Medaillon zu tun?«, fragte Louisa nach einem raschen Blick auf Robert und stellte ihre Teetasse ab.
    »Ich habe ein Bild von ihr dabei«, fügte Robert hinzu, zog seine Brieftasche heraus, klappte sie auf und zeigte Mrs Wystrach das Foto darin. Kaum hatte sie einen Blick darauf geworfen, lehnte sich die alte Frau unwillkürlich an ihren Mann und fasste sich an die Stirn. Ihr Kopf begann, heftig zu zittern, und ihre Lippen waren erneut so fest zusammengepresst, als wollte sie damit erreichen, dass ihnen kein unbedachtes Wort entschlüpfte. Sie rang augenscheinlich um Fassung.
    »Er will wissen, ob wir diese Frau kennen«, sagte sie schließlich zu ihrem Mann,

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