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Blutskinder

Blutskinder

Titel: Blutskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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hältst du davon?«, fragte Robert Louisa mit gesenkter Stimme.
    »Gerade wollte ich dich dasselbe fragen.«
    »Schau dir nur das Muttermal an! Und diese Wangen­knochen. Ihre Haare sind heute anders, aber im Wesentlichen hat sich ihr Gesicht nicht sehr verändert«, flüsterte Robert.
    »Ich habe auch ein Muttermal«, flüsterte Louisa zurück und deutete auf ihre Schläfe. »Deswegen muss ich noch lange nicht das Mädchen auf dem Bild sein.«
    »Dir sieht das Mädchen kein bisschen ähnlich«, antwortete Robert und hielt das Schwarzweißfoto prüfend hoch, »aber es könnte durchaus Erin sein!« Am liebsten hätte er mit dem Mädchen leise Zwiesprache gehalten. In ihren Augen lag Furcht und ihre Lippen waren leicht geöffnet, so als sei sie im Begriff, ein Geheimnis preiszugeben. Ob sie wohl gewusst hatte, dass die Zeitungen im ganzen Land über sie berichteten?
    »Pass mal auf«, sagte Louisa. »Das Mädchen hier war im Jahr 1992 fünfzehn Jahre alt. Also wäre sie jetzt siebenundzwanzig oder achtundzwanzig, je nachdem, wann sie Geburtstag hatte. Wie alt ist Erin?«
    »Zweiunddreißig. Okay, Sherlock Holmes, ich habe nur gesagt, was ich denke. Zwischen diesem jungen Mädchen und meiner Frau besteht eine frappierende Ähnlichkeit.«
    »Du lässt dich eben leicht beeinflussen. Genau wie die alten Leute, als du ihnen das Medaillon gezeigt hast.« Seufzend lehnte sich Louisa zurück. »Mir kommt das alles sehr unwahrscheinlich vor, Rob. Versteif dich nicht darauf.«
    Robert antwortete nicht. Da die beiden Wystrachs immer noch nicht zurückgekehrt waren, nutzte er die Gelegenheit und zog ein paar Artikel aus dem Papierstapel. Er faltete sie klein zusammen und schob sie in seine Hemdtasche. Kurz darauf betraten die beiden alten Leute wieder den Raum.
    »Vielleicht wird Ruth ja noch gefunden«, sagte Robert zu ihnen. »Man darf die Hoffnung niemals aufgeben.«
    »Aber das Medaillon …«, sagte Mrs Wystrach mit bittender Stimme. Ihre Pupillen waren ganz klein geworden, weil sie so lange in die Helligkeit gestarrt hatte. »Sagen Sie uns doch bitte, wo Sie es herhaben. Ruths Großmutter hat es ihr zum zehnten Geburtstag geschenkt. Ruth hat es immer getragen. Die Frau auf dem Bild ist Edyta Wystrach, die Mutter meines Mannes Vasil und seines Bruders Gustaw.«
    »Vielleicht können Sie uns doch noch mehr über das Verschwinden Ihrer Tochter erzählen?« Mrs Wystrach kam Louisas direkter Aufforderung bereitwillig nach.
    »Ruth war keine normale Ausreißerin.«
    »Nein, Irena, lass …« Vasil Wystrach legte seiner Frau die Hand auf den Arm und schüttelte warnend den Kopf.
    »Was kann es schon schaden? Damals stand sowieso alles in der Zeitung.« Irena entzog ihm ihren Arm. »Die Polizei nahm an, dass Ruth ein Baby entführt hat, nachdem sie von zu Hause weggelaufen war.«
    »Warum denn das?«, fragte Louisa interessiert und holte Notizblock und Stift aus ihrer Schultertasche. »Warum sollte eine Fünfzehnjährige so etwas tun?«
    Die Frau zögerte. Es schien, als schlucke sie die Antwort hinunter, die ihr auf der Zunge lag. »Das haben wir auch gesagt«, sagte sie schließlich. »Aber anscheinend hatte die Polizei Beweise gegen unsere Ruthie.« Irena Wystrach war jetzt ganz bleich, wodurch sie noch älter wirkte. Wieder schluckte sie ein paar Mal hintereinander. »Wir können nicht glauben, dass unsere Tochter so etwas getan hat, nicht wahr, Vasil?«
    »Die Polizei gab sich mit den Indizien zufrieden und die trauernde Mutter des entführten Babys auch. Sie dachten nicht darüber nach, dass auch wir um unser Kind trauerten.« Vasils Stimme war jetzt ganz dünn und leise.
    »Was für Indizien sprachen denn gegen Ihre Tochter?«, erkundigte sich Louisa, während sie sich einige Notizen machte. »Keine Angst, wir sind wirklich nicht von der Presse. Aber es gibt unter Umständen eine Verbindung zwischen Ihrer Tochter und jemandem, den wir suchen.« Sie schenkte den beiden Irena kramte noch einmal in der Schachtel und zog ein paar jüngere Zeitungsausschnitte hervor. »Lesen Sie das und entscheiden Sie selbst, ob es wirklich Beweise sind. Ich finde, wenn sie so sicher waren, dass unsere Ruthie ein Kind entführt hat, dann hätten sie gründlicher nach ihr suchen sollen.«
    Robert rückte näher zu Louisa, die ihre Brille abnahm und zu lesen begann.

    Baby von Ausreißerin entführt?

    Die Polizei vermutet eine Verbindung zwischen der jugendlichen Ausreißerin Ruth Wystrach, die von ihren Eltern Vasil und Irena zuletzt am vierten

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