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Blutskinder

Blutskinder

Titel: Blutskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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ihr Baby zu sprechen kam.
    »Wie ich es mir gedacht habe«, sagte sie, nun wieder ganz geschäftsmäßig, so als hätte es diesen Augenblick der engen Verbindung zwischen ihnen nie gegeben. »Ein langes Leben mit vielen Veränderungen zum Besseren.« Dann fügte sie hinzu: »Sie haben doch bestimmt noch Fragen. Die hat doch jeder.«
    O ja.
    »Lassen Sie sich auch die Zukunft vorhersagen?«, fragte er.
    Cheryl lehnte sich belustigt zurück. »Ich kann meine eigene Zukunft lesen. Warum sollte ich dafür jemand anderes engagieren?«
    Robert erwiderte nichts. Also fuhr Cheryl fort, die Karten zu deuten, sagte etwas von einer Zwickmühle, einem Scheideweg. Nichts, was nicht ebenso gut auf jeden anderen Klienten gepasst hätte. Dann fügte sie noch hinzu, er habe den falschen Beruf, was eindeutig nicht stimmte. Robert schaute auf die Uhr und überlegte, wie viel Zeit ihm noch blieb.
    »Darf ich Sie zu einem Drink einladen, wenn Sie hier fertig sind?«
    »Ich bin heute spät dran. Und ich habe noch fünf weitere Klienten.« Sie errötete und vermied abermals den Blickkontakt.
    »Wie wäre es morgen Mittag zum Essen?«
    »Mr Knight, sind Sie hergekommen, um sich mit mir zu verabreden oder soll ich Ihnen die Zukunft vorhersagen?« Sie schob die Tarotkarten ein Stück von sich und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Tut mir leid. Wahrscheinlich sind Sie verheiratet und haben Familie und finden mich ziemlich aufdringlich …«
    »Sie haben mir bereits verraten, dass Sie eine Familie haben!«
    »Ich habe Ihnen nicht etwa ein Date vorgeschlagen, sondern wollte Sie nur zu einem Drink einladen.« Robert schluckte und musste im selben Augenblick daran denken, dass sie ebenso mit der Körpersprache vertraut war wie er selbst. »Sind Sie denn nun verheiratet, oder nicht?« Er erinnerte sich, dass in einem der alten Zeitungsartikel von einem Ehemann – Andrew Varney oder so – die Rede gewesen war. Doch angesichts Cheryls Reaktion bereute er sein Nachfragen sofort. Sie ließ den Kopf hängen und verschränkte die Hände im Schoß. Ihr Atem ging flach.
    »Ich bin geschieden.« Die Worte fielen ihr sichtlich schwer. »Schon seit langem.« Verlegen schob sie die Tarotkarten hin und her.
    »Ich bin Witwer, aber wieder verheiratet.« Robert hoffte, Cheryl würde erkennen, dass sie etwas gemeinsam hatten. Dass sie beide jemanden verloren hatten, den sie liebten. Er hoffte, dass sie den nächsten Schritt tat. »Haben Sie Kinder?«, fragte er.
    Das Schweigen zwischen ihnen zog sich endlos in die Länge. Mit leerem Blick starrte Cheryl vor sich hin, doch Robert wusste, dass sich hinter ihrer Teilnahmslosigkeit, hinter dem schokoladenbraunen Haar, der makellosen Haut, den unergründ­lichen Augen, hinter all ihrem Leid tiefe Gefühle verbargen.
    »Nein!« Wie einen Speer schleuderte sie ihm das Wort entgegen. Was sie damit ausdrücken wollte, war klar: Frag mich nichts mehr!
    »Ich habe eine Tochter«, sagte er. Jetzt war es heraus! »Sie ist dreizehn.«
    Cheryl lächelte. »Schwieriges Alter.« Sie schien dankbar zu sein, dass er das Thema gewechselt hatte.
    Robert schnappte ein paar Wortfetzen vom Nebentisch auf, wo ein Wahrsager einer Klientin aus der Hand las. Verstohlen warf er einen Blick hinüber. Die junge Frau lauschte wie gebannt den Worten des älteren Mannes.
    »Hat sich schon mal jemand bei Ihnen beschwert, weil Ihre Vorhersagen nicht eingetroffen sind?« Robert wusste selbst nicht, wie er darauf kam.
    »Sein Schicksal reklamieren?« Cheryl lachte. »Das geht ja wohl schlecht. Man kann sein Leben doch nicht umtauschen und ein neues verlangen.«
    »Aber was ist, wenn Sie so sehr danebengelegen haben – Sie wissen schon, mit Ihren Auskünften –, dass jemand sein Geld zurückhaben will?«
    »Wenn jemand so unzufrieden wäre, würde ich wohl kein Geld von ihm verlangen.«
    »Und was, wenn Sie etwas ganz Offensichtliches übersehen hätten? Müsste er dann bezahlen?«
    »Ich kann meinen Klienten nur sagen, was ich sehe. Und meine Einsichten gewinne ich auf unterschiedliche Art und Weise.« Cheryl deutete auf die Kristallkugel und die Karten. »Wenn Sie solch ein Skeptiker sind, Mr Knight, würde ich vorschlagen, dass Sie keinen Hellseher mehr aufsuchen.« Cheryl hatte sich offenbar wieder völlig gefangen.
    »Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen? Zur Hellseherei, meine ich.«
    »Ich bin selbst mal zu einer Wahrsagerin gegangen, und die hat mir verraten, dass auch ich die Gabe besitze.«
    »Warum sind Sie denn zu der

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