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Blutskinder

Blutskinder

Titel: Blutskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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teilt er mir mit, dass Patrick tot ist.

25
    S
    ie rief die Karte Nummer zweiunddreißig auf, offenbar nichts ahnend. Zuerst konnte Robert ihre Stimme gar nicht hören, da er inzwischen auf einer lederbezogenen Bank neben einem Spielautomaten saß, der in regelmäßigen Abständen klirrend Münzen ausspuckte. Doch als er im Gedränge einen Blick auf Cheryls Gesicht erhaschte, verstand er plötzlich, was sie rief. Langsam, als bewege er sich unter Wasser, bahnte er sich einen Weg bis zu der Frau, deren Leben er von Grund auf verändern konnte.
    Cheryls Augen flackerten kurz auf, als er näher trat. Unauffällig musterte sie ihn von oben bis unten – das konnte ihr wertvolle Hinweise für ihre Wahrsagerei liefern –, bevor sie ihn mit einer Handbewegung bat, sich zu setzen. In dem Raum herrschte eine erstaunlich friedliche Stimmung. Es duftete nach Sandelholz, und aus den Lautsprechern im Hintergrund ertönte leise, beruhigende Musik. Die drei Tische standen in ausreichend großem Abstand voneinander entfernt, um Diskretion zu gewährleisten.
    »Nehmen Sie doch Platz.« Nach all den Jahren der Trauer klang ihre Stimme ruhig und beherrscht.
    Den Blick unverwandt auf sie gerichtet, kam Robert ihrer Aufforderung nach. Sie war nicht im herkömmlichen Sinne attraktiv, doch ihre makellose, feinporige Haut verlieh ihr eine gewisse Schönheit. Es war, als spiegele sich ihre Seele in den geröteten Wangen und den unnatürlich geweiteten Pupillen. Mit den großen, runden Augen sah sie fast aus, als sei sie verrückt. Robert hätte es nicht gewundert.
    »Ich heiße Cheryl«, sagte sie, und ihre Blicke huschten dabei über seinen Körper. Vielleicht musste das so sein, damit sie in seiner Vergangenheit und Zukunft lesen konnte.
    Robert wusste, wie sie es machten, diese so genannten Hellseher. Ein Informationsschnipsel hier, eine Auskunft da – und schon hatten sie dich im Handumdrehen eingewickelt und zogen dir das Geld aus der Tasche. Doch in diesem Fall würde er ihr die Zukunft voraussagen – eine völlig neue Zukunft.
    »Robert Knight«, sagte er und streckte ihr die Hand hin, was sie zu überraschen schien. Sie ignorierte die Geste.
    »Wünschen Sie Tarot, die Kristallkugel oder Runen? Ich kann Ihnen fast alles anbieten.« Beim Sprechen schaute sie ihn nicht an.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Robert wahrheitsgemäß. Seine Vergangenheit war ihm egal, und er glaubte nicht recht daran, dass er noch irgendeine Zukunft hatte. Er wollte lieber über sie selbst sprechen, über die Frau, die er für Rubys leibliche Mutter hielt. Die Frau, die durch Erins Schuld unfassbares Leid erfahren hatte. Die Frau, die ihr Kind zurückbekommen würde, wenn er zur Polizei ginge. Dann dachte er an Erin, die er immer noch liebte – oder etwa nicht? Er sah sie verzweifelt und gebrochen im Gefängnis sitzen, unfähig, ihm seinen Verrat jemals zu verzeihen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
    Konnte es denn Zufall sein, dass im Schein der zahlreichen Kerzen, die im Raum verteilt waren, Cheryls dunkles Haar denselben silbrig-schwarzen Schimmer aufwies wie Rubys? Warum erinnerten ihn ihre vollen Lippen, die langgestreckten Gliedmaßen, die knochigen Finger und der lange, schlanke Hals, der aus dem Kragen der lilafarbenen Chiffonbluse hervorragte, so sehr an seine Stieftochter?
    »Was würden Sie denn empfehlen?« Da er ahnte, was sie in ihrem Leben durchgemacht haben musste, sprach er betont sanft und freundlich.
    »Geben Sie mir Ihre Hand«, forderte sie ihn auf, den Blick nach wie vor gesenkt. Ob sie wohl weiß, warum ich hier bin?, fragte er sich. Immerhin gab sie sich ja als Hellseherin aus.
    Sie fuhr mit dem Finger über seine schweißfeuchte Handfläche. »Aha, ein Geschäftsmann.« Ihr Lächeln verdrängte für einen Moment ihre innere Traurigkeit. Er überlegte, woher sie das wohl wusste und was sie an dieser Tatsache so belustigend fand. »Und immer im Stress, nicht?« Es war eine Frage, keine Feststellung.
    Endlich schaute sie Robert in die Augen. Er nickte nur knapp, um ihr nicht zu viel zu verraten. »So hat jeder seine Probleme, nicht wahr?«
    Die leisen Stimmen von den Nachbartischen wurden unhörbar, und die Geräusche aus der Wirtsstube kamen wie aus einer anderen Welt.
    Cheryl schloss für einen Augenblick die Augen und seufzte. Bevor Robert recht merkte, dass sie zitterte, hatte sie seine Hand bereits losgelassen. »Also, falls es Sie beruhigt, Sie werden ein langes Leben haben.« Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und

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