Blutskinder
von Blüthner und Steinway.
Anfangs sah es der Inhaber gar nicht gern, dass ein kleines Mädchen mit seinen klebrigen Fingern die teuren Instrumente betatschte, doch eines Tages, als Ruby den Mut aufbrachte, eine komplizierte Tonfolge zu spielen, zog er einen Klavierhocker heran und stellte die Höhe für sie ein.
»Du kannst spielen?«, fragte er. Ruby nickte nur, ganz starr vor Schreck. Doch gleich darauf hörte ich durch die Wand, wie meine Tochter in Debussy, Chopin und Mozart schwelgte. Sie spielte alles, was Baxter ihr im Laufe der Jahre beigebracht hatte. Von da an durfte sie, wann immer sie wollte, in das Musikgeschäft gehen und spielen. Das wäre gut fürs Geschäft, sagte der Inhaber.
Noch ein paar Monate später konnte ich mir ein gebrauchtes Klavier für Ruby leisten. Ich weiß bis heute nicht, wie die Möbelpacker es schafften, das Ding in unsere winzige Einzimmerwohnung zu quetschen.
Ich gestalte das Schaufenster von »Floristik taufrisch« neu. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass die Kunden alle paar Wochen eine ganz neue Dekoration erwarten. Das hält ihr Interesse wach. Baxter hat mir beigebracht, wie wichtig eine gefällige Auslage ist. »Damit präsentierst du dich der Welt«, sagte er immer.
Heute will ich einen Strand mit angeschwemmtem Treibholz nachbilden. Dazu brauche ich außer Strandkieseln noch ein paar knorrige trockene Äste und weiß angestrichene Holzpaletten, auf denen ich verzinkte Gefäße mit Ziergräsern arrangiere. Es ist mir gelungen, ein Fischernetz aufzutreiben, das ich jetzt hinter der Strandszene aufhängen will, doch es fällt immer wieder herunter. Von all den Leuten, die mir im Vorübergehen einen neugierigen Blick zuwerfen, kommt nicht einer auf die Idee mit anzufassen. Schließlich mache ich erst mal eine Kaffeepause. Gegen den Ladentisch gelehnt begutachte ich mein Werk und warte darauf, dass das Wasser kocht.
Am Ende wird das Schaufenster doch noch so, wie ich es haben will. Die Passanten betrachten es beifällig, und eine meiner Stammkundinnen macht mir ein nettes Kompliment.
Sie kommt zweimal die Woche und kauft ein Gesteck für die Steuerberaterkanzlei, in der sie arbeitet. Da einige Blumen die Köpfe hängen lassen, hole ich die Sprühflasche und die Trittleiter, doch bevor ich anfangen kann, kommt Robert herein. Mein Herz macht einen kleinen Sprung; ich habe es gern, wenn er überraschend vorbeischaut.
»Schatz, das ist aber eine Überraschung!« Lächelnd springe ich rückwärts von der Leiter, die Sprühflasche noch immer in der Hand. »Du hast doch gesagt, du würdest den ganzen Tag unterwegs sein.« Er hat mir gestern einen Zettel hingelegt, dass er für Den zu einer Konferenz fahren müsse. »Das war aber gemein von Den, dich so kurzfristig zu dieser Konferenz zu schicken. Ich habe dich letzte Nacht vermisst.« Ich will ihm einen Kuss geben, überlege es mir aber anders. »Du hast dringend eine Dusche nötig, Mr Knight.« Aus Spaß bespritze ich ihn mit Wasser. Er antwortet nicht, sondern schaut mich nur ausdruckslos an. »Erinnere mich nachher daran, dass ich dir ordentlich den Rücken schrubbe.«
Robert sagt noch immer nichts. Er wandert durch den Laden, als suche er etwas, und stößt dabei einen Eimer mit Gerbera um. Dann lehnt er sich an die Ladentheke, die Hände krampfhaft zu Fäusten geballt. Sein Atem geht keuchend, als wäre er gerannt. Endlich dreht er sich zu mir um und sagt ziemlich ruhig: »Duschen wäre jetzt wirklich das Richtige. Ich bin fix und fertig.«
Na also. Ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen. »Lass mich nur eben die Blumen reinholen, dann schließe ich für den Rest des Tages.« Ich zwinkere ihm zu und mache mich daran, die Eimer in den Laden zu ziehen. Wenn er mir helfen würde, wären wir schneller zu Hause, aber er tut es nicht. Er starrt mich nur an, als wäre ich eine Wildfremde. Wir fahren in zwei Autos heim. Als ich in den Rückspiegel schaue, sieht es im Sonnenlicht so aus, als stünde Roberts Mercedes in Flammen.
Neun Monate, nachdem ich das möblierte Zimmer gemietet hatte, zogen wir in eine Zweizimmerwohnung um. Mein Lohn reichte gerade für die Miete, doch ich widerstand der Versuchung, meinen Körper zu verkaufen. Davon wollte ich nichts mehr wissen, zumal Becco zum Glück meine Spur verloren hatte.
Die Wohnung war hässlich und roch nach Katzen, doch es dauerte nicht lange, da hatten wir sie nach unserem Geschmack gestaltet. Jetzt duftete es nach Lavendel und selbstgekochtem Essen. Zum ersten Mal im
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