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Blutskinder

Blutskinder

Titel: Blutskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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weiß, und dein Vater erlaubt dir nicht, dich mit einem Jungen zu treffen, außer dem, den er dir als Ehemann ausgesucht hat.«
    Wieder nickt sie. Ich ärgere mich über mich selbst, weil es so einfach ist. Das hier ist keine Wahrsagerei, es ist einfach so, als wäre ich ihre Mutter. Ich biete ihr einen Keks an.
    »Was bedeuten die Karten? Der Tod da macht mir Angst.« Sarah zeigt auf die Karte und lässt dabei Krümel auf den Narren fallen.
    »Vor der Karte mit dem Tod braucht man keine Angst zu haben. Er bedeutet auch einen Neuanfang, musst du wissen. Oder das Ende von allem, was bisher dein Leben ausmachte.«

    Die Pressekonferenz sollte am folgenden Tag in einem Hotel im Zentrum von Northampton stattfinden. Ich war verblüfft, wie schnell alles ging. Innerhalb weniger Stunden nach der Ankündigung fielen Reporter und Fernsehteams aus dem ganzen Land in unsere Stadt ein. Ich brauchte die nächsten vierundzwanzig Stunden, nur um mich zu waschen und anzuziehen. Mein Körper fühlte sich an wie ein nasser Sandsack, und ich schleppte mich nur mit Mühe durchs Haus. Ich konnte gar nicht glauben, dass alle diese Leute nur meinetwegen gekommen waren.
    Sie brachten Andy und mich in einem Polizeiwagen ins Marriott-Hotel und führten uns in einen gesonderten Raum. Ich hörte, wie die Pressevertreter draußen ihre Ausrüstung aufbauten. Sie suchten sich einen Platz, an dem mein Flehen und Weinen besonders gut wirkte.
    Ich wünschte, ich hätte nicht gerade das hellblaue Kostüm angezogen, das ich mir für Natashas Taufe gekauft hatte. Auf der rechten Schulter hatte Natasha einen kleinen milchigen Sabberfleck hinterlassen. Ich presste die Wange darauf. DI Lumley drückte mir ein Blatt Papier in die Hand.
    »Ihre Erklärung für die Presse, Mrs Varney. Lesen Sie sie bitte laut und deutlich vor. Dieser Mistkerl soll genau hören, was Sie zu sagen haben.« Wieder dieser Blick, als steckte ich mit dem Täter unter einer Decke. Hilfesuchend schaute ich mich nach Andy um. Er las über meine Schulter gebeugt die Erklärung mit und nickte zustimmend.
    »Das habe ich nicht geschrieben«, sagte ich.
    »Ich weiß, aber wir müssen genau aufpassen, was wir sagen. Wir wollen nicht, dass die Täter wissen, was wir wissen. Und vor allem sollen sie nicht merken, dass wir eigentlich gar nichts wissen.«
    Ich war ganz durcheinander. Irgendwo, tief in mir drin, flackerte ein Funke auf. Heute weiß ich, dass es Zorn war. Ich wollte, dass Andy protestierte und sagte, wir würden das nicht vorlesen. Aber seine Miene verriet, dass er mit der vorbereiteten Ansprache einverstanden war. Schon als ich die ersten Zeilen überflog, wusste ich, dass es nicht das war, was ich den Leuten sagen wollte. Es klang einfach nicht überzeugend, und darauf kam es doch vor allem an. Alles hing jetzt von mir ab. Ich musste die Herzen der Zuschauer gewinnen und die Leute auf meine Seite ziehen.
    »Es ist immer am besten, wenn die Mutter es macht, Mr Varney.« DI Lumley legte eine Hand aufs Herz und spitzte vielsagend die Lippen. Vielleicht hatte er ja wirklich Mitleid mit uns und konnte es nur nicht richtig zeigen.
    Eine Kellnerin vom Hotel kam mit einem Servierwagen herein und brachte uns Tee. Ich wollte keinen, aber man riet mir, eine Tasse zu trinken, um meine Nerven zu beruhigen. Ich hätte gerne PC Miranda bei mir gehabt, aber sie sagten, sie habe frei. Klappernd stellte ich die Tasse wieder auf die Untertasse. Wir warteten, dass es zwei Uhr wurde.
    Es waren jetzt vier Tage und dreieinhalb Stunden ohne Natasha. Was würde in einer Woche sein, in einem Monat, einem Jahr? Wie würde ich mich an ihrem Geburtstag fühlen oder an Weihnachten oder in dem Jahr, wenn sie zur Schule gekommen wäre?
    »Ich will mein Baby wiederhaben … bitte! « , schrie ich und ließ den Kopf auf die Knie sinken. DI fand, jetzt sei der Zeitpunkt gek ommen, um mich hinaus vor die Kameras zu führen. Ich machte genau den richtigen Eindruck, erregt und aufgewühlt. Auf e inmal stand ich auf dem Podium. Ich zitterte, schwitzte und hyperventilierte angesichts der rund fünfzig Zeitungs- und Fernsehjournalisten, die schweigend darauf warteten, dass ich mich an den Entführer wandte.
    Und dann, als ich mich an den Tisch setzte, zum Mikrofon vorbeugte und zum Sprechen ansetzte, flammten zahllose Blitzlichter auf. Ich knüllte das Papier zusammen, das DI Lumley mir gegeben hatte, und ließ es auf den Boden fallen. Mit meinen eigenen Worten wandte ich mich an die Menschen im ganzen Land.
    »Vor

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