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Blutskinder

Blutskinder

Titel: Blutskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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jemand im Augenblick einen Job geben würde. Oder mich heiraten. Was soll ich bloß machen?« Dann legt sie den Kopf auf die Tischplatte. Hinter dem Vorhang aus langen dunklen Haaren, der ihr Gesicht verbirgt, weint Sarah zwei Stunden lang.
    Als sie aufhört, wasche ich ihr das Gesicht mit Lavendelwasser, koche ihr noch eine Tasse Tee und schicke sie dann nach Hause. Es geht ihr schon viel besser. Sie bringt sogar ein kleines Lachen zustande, als ich mich zum Abschied bücke und ihr einen kleinen Kuss auf den Bauch gebe.

13
    D
    ie Wagen standen auf der M23 dicht an dicht. Wie eine bunte Perlenschnur zogen sie sich über das schwarze Band aus Asphalt. Robert stellte den Motor ab und reckte sich ein wenig, um nach der Ursache des Staus Ausschau zu halten. Er überlegte, ob er das Dach wieder schließen sollte – zum Schutz gegen die Sonne, die schon jetzt um halb elf die Straße in einen Backofen verwandelte. Plötzlich wurde die leise Musik im Autoradio von einer Verkehrsdurchsage unterbrochen. Die M23 musste in Höhe der Anschlussstelle 10A vollständig gesperrt werden, nachdem sich ein Lastwagen über alle drei Fahrspuren quer gestellt und dabei seine Ladung verloren hatte.
    Der Wagen vor ihm fuhr zwei Meter weiter. Erst als hinter Robert ein Hupen ertönte, ließ er den Motor wieder an und rollte ebenfalls ein Stück vor. Er war fest entschlossen, sich nicht verrückt machen zu lassen, gerade heute nicht. Robert versuchte, auf dem Navigationsgerät eine Ausweichstrecke zu finden. Ein Stück weiter kam eine Ausfahrt, die aber wahrscheinlich auch verstopft war.
    Als auf der Spur links neben ihm eine Lücke entstand, zog Robert abrupt hinüber. Ohne die Lichthupe hinter sich zu beachten, schaltete er Scheinwerfer und Warnblinkanlage ein, wechselte auf die Standspur und fuhr mit zunehmendem Tempo Richtung Ausfahrt. Er musste unbedingt nach Brighton und das hieß, runter von der Autobahn, er wollte seinen Nerven keine weitere Verzögerung zumuten. Natürlich war die Standspur nur für Notfälle da, aber nach Roberts Ansicht handelte es sich bei ihm um einen Notfall – er versuchte, seine Ehe zu retten.
    Auch auf der Fernstraße herrschte dichter Berufsverkehr. Hupend und mit eingeschalteter Warnblinkanlage raste Robert auf den Kreisverkehr am nächsten Ortseingang zu, wo er, den Anweisungen des GPS folgend, zuerst nach Osten und später nach Süden abbog, bis er endlich eine freie Landstraße erreichte.
    Zwanzig Minuten später bog er in einen Feldweg ein und machte den Motor aus. Er war gründlich vom Kurs abgekommen. Seufzend schob er seine Sonnenbrille hoch, wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und ließ den Kopf an die Rückenlehne sinken. Die Hitze hatte ihm so zugesetzt, dass von der wilden Entschlossenheit, mit der er am Morgen das Haus verlassen hatte, nicht mehr viel übriggeblieben war.
    Er hatte sich von Erin mit einem flüchtigen Kuss verabschie­det. Dass er vorhatte, an die Südküste zu fahren, erwähnte er nicht. Dann brachte er Ruby zum Bus. Er konnte nur hoffen und beten, dass ihn keine von beiden heute anrufen würde. Wenn Erin erfuhr, dass er in Brighton war, würde sie nur misstrauisch werden. Dann musste er ihr etwas von einem Termin oder einer Sitzung vorschwindeln. Und wäre damit genauso ein Lügner wie sie.
    Robert schraubte die Wasserflasche auf und trank sie fast leer. Dann stieg er aus, um sich die Beine zu vertreten und nachzudenken. Er hatte lange überlegt, was er beim Treffen mit dem Liebhaber seiner Frau tragen sollte. Zuerst hatte er seinen üblichen dunklen Anzug mit einem kurzärmeligen Hemd angezogen, doch sobald Ruby und Erin aus dem Haus waren, zog er sich um. Er entschied sich für Jeans, ein weites Hemd, leichte Slipper und dazu eine dunkle Sonnenbrille. Er wollte so jung wie möglich aussehen, denn er hatte den Verdacht, dass Baxter mindestens zehn Jahre jünger und viel attraktiver war als er.
    Robert ließ die Faust auf die Motorhaube krachen und bereute es sofort, als er die Delle im Blech sah. In diesem Augenblick hätte er Erin am liebsten gehasst, für ihre Lügen und ihre Heimlichtuerei, aber vor allem dafür, was sie damit Ruby antat, die letzten Endes am meisten leiden würde. Aber er brachte es nicht über sich, sie zu hassen, also hasste er sich selbst – für seinen heimlichen Ausflug nach Brighton.
    Eine Stunde später parkte er den Mercedes an der Promenade. Auf dem Kiesstrand lagen Menschen in der Sonne, ihre leicht geröteten Körper

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