Blutskinder
zum Versiegen bringen sollten. Sie wirkten nicht. Meine Brüste waren schwer und hart und taten schon weh, wenn ich die Arme nur hängen ließ. Einmal, als PC Miranda wieder Dienst hatte und vor der Badezimmertür wartete, beugte ich mich über das Waschbecken und ließ es einfach tropfen. Wie schade um die ganze Milch, dachte ich. Der Geruch brachte mich zum Weinen, und so mischten sich Tränen und Milch im Waschbecken, als würde sich mein ganzer Körper vor Kummer verflüssigen.
PC Miranda musste dann Hilfe holen, weil ich weggesackt war und sie die Tür nicht aufbekam. Mit vereinten Kräften drückten Miranda, Don und Andy gegen die Tür und schoben meinen schlaffen Körper über den Badezimmerteppich. Als Andy mir beim Aufstehen half, fing ich hysterisch an zu lachen. Ich hatte kein Oberteil an.
Ein paar Stunden später kam wieder eine Meldung. Die Polizei von Hertfordshire hatte zwei Anrufe von Autofahrern bekommen. Ihnen war am Zubringer zur M1 in Richtung Süden ein Anhalter aufgefallen, der ein Baby dabeihatte. Die Gestalt war gegen die Kälte so dick eingemummelt gewesen, dass man nicht sagen konnte, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. PC Miranda hielt meine Hand, während sie mir berichtete, dass die verdächtige Person nicht mehr da war, als die Polizei eintraf. Es tröstete mich ein wenig, dass sie mir aufmunternd zulächelte und mir erzählte, dass jetzt die umliegenden Felder und Dörfer abgesucht würden und dass man dabei auch Suchhunde einsetze. Die Polizei der angrenzenden Kreise war ebenfalls in Alarmbereitschaft versetzt worden. Es werde bestimmt nicht mehr lange dauern, bis wir etwas Neues hörten, sagte PC Miranda und schluckte mit abgewandtem Blick.
»Haben Sie Kinder?«, fragte ich. Vielleicht hatte sie ja zwei und konnte eines davon entbehren. Sie nickte.
»Er ist vier. Seine Großmutter passt auf ihn auf, wenn ich arbeiten muss.«
Ich bin froh, dass PC Miranda mir von ihrem Kind erzählt hat. Es brachte ein Stückchen Normalität in mein unwirkliches Leben, so wie eine klebrig-süße Medizin. Ich weiß nicht, wie ich diese ersten Tage ohne PC Miranda durchgestanden hätte. Jetzt sehe ich sie nicht mehr.
Am Dienstagmorgen – drei Tage ohne Natasha – kam Detective Inspector George Lumley und sagte, wir sollten im Fernsehen sprechen. Sein Gesicht war ganz braun und runzelig, und er roch nach Zigarettenrauch. Später erfuhr ich, dass er erst vierzig war, aber er wirkte viel älter. Aufgrund der bisherigen Ermittlungen, sagte er, sei die Polizei der Auffassung, dass Natashas Entführung keine geplante Tat, sondern eine Affekthandlung gewesen sei. Höchstwahrscheinlich werde der Täter das schreiende Baby bald sattbekommen.
Eine Reihe von Fällen, teilte er Andy und mir mit, als wir klein und elend auf dem Sofa saßen, während er so groß und selbstsicher vor uns stand, eine Reihe von Fällen habe ein gutes Ende genommen, nachdem sich die Eltern an die Öffentlichkeit gewandt hatten. Erst ein Jahr zuvor sei ein Kleinkind, das aus einem Kindergarten entführt worden war, zwei Tage nach dem rührenden Appell der Mutter in einem McDonald’s-Restaurant gefunden worden, wo es glücklich und zufrieden in der Ecke mit den bunten Bällen spielte. Ich musste denken, dass Natasha erstickt oder erwürgt in irgendeinem Winkel lag, wo man sie nie finden würde.
»Wären Sie also bereit zu einer Pressekonferenz?«
Andy sagte, wir wären einverstanden.
Heute kommt eine neue Klientin. Am Telefon sagte sie, ihr Name sei Sarah, aber ihren Nachnamen oder die Telefonnummer wollte sie mir nicht nennen. Sie klang sehr jung und schüchtern. Ich habe eigentlich gar nicht damit gerechnet, dass sie tatsächlich kommt, aber als ich gerade den Tee aufbrühe – ich biete meinen Klienten immer Tee und einen Keks an –, klopft es an der Tür. Ich ziehe mir das Gummiband aus dem langen Haar, streiche mit den Zeigefingern über die Haut unter den Augen und stopfe mir die Bluse in den Hosenbund. Als ich die Tür öffne, steht da ein asiatisches Mädchen, wohl nicht viel älter als fünfzehn.
»Sarah?«
Sie nickt und wirft einen prüfenden Blick die Straße hinauf und hinunter, bevor sie eintritt. Dabei schluckt sie andauernd, als müsste sie gegen Übelkeit ankämpfen. Ich biete ihr lächelnd einen Platz an. Ich bediene meine Kundschaft immer im Wohnzimmer. Dabei sitzt der Kunde im Sessel, ich auf dem Sofa, und das Teetablett steht tröstlich wie eine Brücke zwischen uns.
Beim ersten Mal sind
Weitere Kostenlose Bücher