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Blutskinder

Blutskinder

Titel: Blutskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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sein, dass jemand unschuldig festgenommen wurde. Vielleicht würden sie ja aus meinen verzweifelten Worten einen Beweis basteln und mich dann verhaften. Aber was für ein Verbrechen sollte ich denn begangen haben? Wie sollte ich denn mein eigenes Baby entführen? Worauf wollten sie hinaus?
    »In Ihrer Aussage vom Nachmittag des vierten Januar steht, dass Sie Ihren Wagen auf dem Parkplatz des Supermarkts abstellten – zum genauen Standort des Pkw siehe beigefügten Plan – und mit Ihrer Geldbörse in der Hand in das Geschäft gingen, um einen Kuchen zu kaufen, den Sie mit zu Ihren Schwiegereltern nehmen wollten. Sie ließen Ihren Säugling Natasha schlafend im Wagen zurück. Nachdem Sie den Kuchen an der Schnellkasse bar bezahlt hatten und zu Ihrem Wagen zurückkamen, war Natasha nicht mehr da.« Sein forschender Blick bohrte sich in meine Augen.
    »Das ist richtig«, sagte ich.
    »Nun, Mrs Varney, könnten Sie uns dann erklären, warum Sie laut den Belegen der Supermarktkasse den Kuchen mit Ihrer Kreditkarte bezahlt haben, und zwar volle zwanzig Minuten später, als von Ihnen angegeben?«
    Wie sollte ich nur Detective Inspector Lumley und seinem schweigsamen Assistenten erklären, dass ich den Kuchen zweimal bezahlt hatte? Würden sie mich nicht erst recht verdächtigen, wenn sie hörten, dass die jämmerliche Person, die da vor ihnen saß, tatsächlich zweimal denselben Kuchen gekauft hatte, anstatt die Polizei wegen ihres vermissten Babys zu alarmieren?
    »Sie sollte den Kuchen gar nicht noch mal einscannen. Ich wollte es ihr gerade sagen …«
    »Wem?«, blaffte Lumley.
    »Dem Mädchen an der Kasse.«
    »Was wollten Sie ihr sagen?«
    »Dass ich mein Baby verloren hatte.«
    »Und warum haben Sie es nicht getan?«
    »Weil …« Die Worte fielen mir schwer. Ich wusste, dass ich mich damit ganz schön reinreiten würde, aber sie wollten ja unbedingt die Wahrheit hören. »Weil ich dachte, ich hätte mich geirrt. Als die Kas siererin den Kuchen über den Scanner zog, kam es mir plötzlich vor, als hätte ich mir alles nur eingebildet. Ein paar Minuten lan g war ich davon überzeugt, dass Natasha noch im Wagen läge und ich nur mal eben den Kuchen gekauft hätte.«
    »Zum ersten Mal?«, fragte Lumley.
    »Ja, ich dachte, ich würde ihn zum ersten Mal kaufen und Natasha wäre noch im Auto.«
    »Aber in Wirklichkeit war Natasha zu diesem Zeitpunkt bereits vermisst und Sie kauften den Kuchen zum zweiten Mal.«
    »Ja.« Ich hasste mich selbst. Ich wollte der Kassiererin doch sagen, dass sie die Polizei holen sollte! Aber ich hab’s nicht getan. Das war mein erster Fehler.
    »Warum, glauben Sie, waren Sie so verwirrt, Mrs Varney? Nachdem Sie doch festgestellt hatten, dass Ihr Baby nicht mehr im Wagen war, warum glaubten Sie dann trotzdem, es sei noch dort, als Sie an der Kasse standen und den Kuchen ein zweites Mal kauften?«
    Ich schluckte und musste husten. PC Miranda schob mir die Tasse Tee zu und ich nahm einen kleinen Schluck. Er war kalt.
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte ich. »Ich war müde. Ich war die ganze Nacht auf gewesen und völlig durcheinander.«
    »Warum waren Sie denn die ganze Nacht auf?« Lumley lehnte sich zurück, und der Stuhl ächzte unter seinem Gewicht. Wahrscheinlich musste er sich seine Kleidung in einem Geschäft für Übergrößen kaufen.
    »Natasha wollte nicht schlafen. Ich konnte sie nicht zur Ruhe bringen.« Vielleicht, dachte ich, hat sie ja geahnt, was ihr bevorstand, und deswegen wie am Spieß geschrien.
    »Kam das oft vor? War sie ein Kind, das gut oder eher schlecht schlief?«
    »War?«, fragte ich.
    »Das ›war‹ bezog sich auf die Zeit, bevor Ihr Baby entführt wurde, Mrs Varney. Mehr wollte ich damit nicht ausdrücken. Also, schlief sie gut?«
    Als ich nickte, begannen beide wie besessen auf ihren Notizblöcken zu kritzeln. Lumley warf seinem Kollegen einen Blick zu.
    »Uns liegt die Aussage der zuständigen Sozialarbeiterin vor, Mrs Varney. Danach schlief Natasha keineswegs gut. Offensichtlich haben Sie seit der Geburt des Kindes im November siebendunddreißigmal die Sozialarbeiterin aufgesucht oder angerufen, da Sie Probleme mit Natasha hatten. Dabei ging es in erster Linie um Durchschlafen und Schreien. Hat Natasha viel geschrien, Mrs Varney?«
    Ich zuckte die Achseln. »Sie war ein Baby, und Babys schreien nun mal.« Sie ist ein Baby, verbesserte ich mich im Stillen.
    »Haben Sie Natasha jemals dafür bestraft, dass sie ständig schrie oder nicht schlafen wollte?«
    Ich

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