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Blutskizzen

Titel: Blutskizzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Horst
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ein Mercedes fährt los ohne Licht, biegt in die Straße ein. Der Himmel wie aus Elefantenhaut, die Häuserdächer grenzen sich noch deutlich ab.
    Der Sonnenspalt in den Wolken ist verschwunden.
    Die Tür geht auf, Ulla bleibt halb draußen, aus irgendeinem Radio peitscht Manni Breuckmann eine Torraumszene über den Flur. Ach ja, Bundesliga. Spielen heute zu Hause.
    »Bei dir ist es ja schön ruhig.« Sie kommt ganz rein, setzt sich vor den Schreibtisch, steckt sich eine an.
    »Rauchen in einem Nichtraucherzimmer?«
    »Stell dich nicht so an, jahrelang gequalmt und jetzt solche Sprüche.« Ist ja gut, war nicht ernst gemeint. »Wollte dir eigentlich nur zwei Dinge sagen. Erstens machen wir ab morgen nur eine Besprechung am Tag, und zwar morgens um neun. Das ist viel sinnvoller, dann haben die Teams abends nicht immer den Druck, pünktlich reinzukommen.«
    »Hab ich bei der MK Laster auch schon gemacht. Wenn es nötig ist, kann man außer der Reihe immer noch eine ansetzen.«
    »Zweitens hat mich vorhin Oliver angerufen, der ist morgen hier bei seinen Eltern zum Wochenendbesuch und will gegen Mittag vorbeikommen.«
    »Was will er?«
    »Ich hatte ihn doch vor ein paar Tagen angerufen, weil ich wegen des Mehrfachtäters ein paar Fragen hatte. Er bat mich dann, ihm eine Kopie der Akte Container zu schicken, hab ich auch gemacht. Er sagt, er hätte sich die mal angesehen und vielleicht ein paar wichtige Informationen für uns. War noch nicht ganz fertig mit seiner Recherche, als er mich anrief, meinte aber, wenn er schon mal hier wäre, könnte er die Gelegenheit nutzen. Kriegst du es hin, mit dabei zu sein?« Wird kein Problem sein.
    Sie bleibt sitzen, bläst eine waagerechte Rauchfontäne ins Zimmer, spielt damit. Kein Wort, ihr Blick ist weit weg.
    »Ist mal ganz schön, die Ruhe, wenn man den ganzen Tag Leute um sich hat, nicht?«
    Sie nickt mit einem Lächeln. »Und Atze ist auch nicht grad ein Quell der Ruhe.« Für einen Moment ganz klein, ganz schwach, ganz hilflos. »Was macht unser Buchhalter?«
    »Wir sind dran. Ich bin dabei, mir die Akten anzusehen, und bei den Unterlagen aus der Firma, speziell beim Fahrtenbuch, gibt es auf den ersten Blick ein paar Unregelmäßigkeiten.«
    »Was ist mit Dienstag?«
    »Da kann er zumindest nicht mit dem Fahrzeug unterwegs gewesen sein, jedenfalls nicht laut Fahrtenbuch. Aber er muss die Leichen ja nicht immer mit derselben Karre wegbringen. Vielleicht grad so, wie es sich anbietet.«
    »Wann gehen wir an ihn ran?«
    »Lass uns noch einen Tag Zeit, da läuft uns nichts weg. Ein bisschen mehr Hintergrund brauchen wir.«
    »Ich muss wieder«, drückt die Kippe in der Untertasse aus, steht auf, »um sechs muss der Pressebericht für die Sonntagszeitung fertig sein.«
    »Ach, Ulla. Ich hab das eben mit Thorsten mitbekommen, was ist denn los?«
    »Wusstest du das nicht? Seine Frau hat Krebs.«
    »Krebs?« Siele. »Ist es ernst?«
    »Ich glaube, die schlimmste Phase hat sie hinter sich.« Sie zieht die Augenbrauen nach oben. »Ich meine, sie ist schon in der Reha. Darum ist er jetzt auch weg, will sie besuchen.«
    Siele, fast vergessen. Sieht nicht gut aus, hat Frau Gierth gesagt, müsste man eigentlich vorbeischauen.
    Sie geht, die Rauchschwaden beruhigen sich langsam.
    Aus der Untertasse kräuselt sich ein dünner Faden. Die ist noch an. Unverhoffte Gelegenheit wie mit vierzehn. Geradebiegen, vorsichtig, nicht einreißen. Zwei schnelle Züge, sie kommt wieder in Gang, noch ein Zug, die Glut frisst sich einseitig Richtung Filter. Inhalieren, ah, gütiges Gift. Kurz vorm Filter, da sitzt der Krebs schon etwas dichter. Siele.
    Return, der Bildschirmschoner verschwindet, Einwohnermeldeamt. Siele, Hans, er braucht einen Augenblick. Hans Siele, es gibt nur einen, 22 geboren, am Feld 28.
    Was ist denn heute noch zu machen? Die Tatortspuren, zwei Ermittlungsersuchen, eine Bitte um Vernehmung mit Fragenkatalog. Das klappt noch. Dann zu Ernst in das Haus. Vorher einen kleinen Abstecher zu Siele, wer weiß, wie lange das noch möglich ist.
    Nimmt man da was mit? Traubensaft? Wenn einer im Sterben liegt?
    Kein Traubensaft.

18 Uhr 13
    Der Riegel am Gartentor ist kaputt. Spärlicher Regen, auf dem Gartenteich vereinzelte Kreise, verlieren sich in der Uferbepflanzung. Zwischen den Waschbetonplatten auf dem Weg moosige Fugen, der Rasen legt seine braunen Teppichfransen über den Rand. Fünf Stufen. Georg und Hans Siele, Messingschild. Die Schelle klingt wie eine Fahrradklingel, es dauert ein

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