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Blutskizzen

Titel: Blutskizzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Horst
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nicht ein, sondern beobachte nur. Festnehmen tun dann ein paar kräftige Herren.«
    »Wie kommen Sie denn auf so was?«
    »Ich habe die Anzeige in der Zeitung gesehen und mal nachgefragt. Die suchten bewusst ältere Menschen wegen der guten Tarnung. Uns traut man das nicht zu.«
    »Und Sie sind sicher, das ist das Richtige für Sie?«
    »Wissen Sie, wie hoch der jährliche Schaden ist, der durch Ladendiebstahl entsteht?«, ehrliche Entrüstung. »Habe ich letztens in der Zeitung gelesen. Ich finde, dagegen sollte man etwas tun. Sie müssen dieses Gefühl doch kennen. Ich meine, Kollegen werden wir dadurch nicht gerade, aber so ein wenig vielleicht doch.« Lächeln.
    Sollte man ihr sagen, was da wirklich abgeht? Ach nein. Vielleicht wird’s gar nicht so schlimm.
    »Dann einen guten Einstand morgen! Ich drücke die Daumen.«
    »Danke und gute Nacht.«
    Ihre Schritte werden leiser.

MONTAG

09 Uhr 13
    Lange gekrümmte Figur, beiger Anzug, der dünne Trenchcoat ist offen, graue Dirigentenfrisur. Die Ärmel sind zu kurz, die Hose endet fünf Zentimeter über den Knöcheln. Weiße Socken. Er holt zum dritten Mal einen Block aus der Innentasche, schreibt etwas auf, seine Lippen bewegen sich. Entweder ist er verrückt oder Philosophieprofessor.
    Drei Schüler tapern gelangweilt zur Treppe, die Rucksäcke hängen auf dem Hintern.
    »Eine Durchsage für unsere Kunden auf Gleis vier: Der Regionalexpress aus Leverkusen verspätet sich voraussichtlich um sieben Minuten.«
    Der Lautsprecher krächzt, kaum zu verstehen. Sonst fast nur Aktentaschenträger mit missmutigen Bürogesichtern, zwei, drei stecken sich noch schnell eine Sieben-Minuten-Kippe an.
    Aus dem Treppentunnel kommt eine gebückte Alte mit Kopftuch und Lumpenkleidung, zeigt einem Altrocker in schwarzer Lederjacke einen zerknitterten Zettel. Ein Bahnmensch sieht es, eilige Schritte, deutliche Worte. Sie muss ihren Tagessatz woanders eintreiben, hat Mühe beim Rückweg die Treppe runter.
    Drei Bahnsteige weiter rauscht ein ICE mit Lichtgeschwindigkeit durch die Wartenden, in den Fenstern ist nichts zu erkennen. Die Uhr zeigt 09.22, noch drei Minuten. Der Professor holt wieder den Zettel raus, notiert was.
    »Achtung an Gleis vier! Es fährt ein der Regionalexpress...«
    Nur fünf Minuten Verspätung, kein Verlass auf die Bahn.
    Schreiendes Quietschen, Horden steigen aus, hektisch, hastend, die meisten für sich.
    Wie sieht er aus? EKHK, wird schon über fünfzig sein, die Stimme klang nach eins fünfundachtzig, grauen Haaren und Schnurrbart. Klamotten wahrscheinlich Bullenlook, irgendwo zwischen konservativ und praktisch-verlottert.
    »Kollege Kirchenberg?«
    Von hinten. Anzug, offenes Jackett, offener Mantel, keine Krawatte.
    »Kollege Klöpper?«
    Seine hellen Augen lachen mit, die Haare kurz, dicht, sehen aus wie ein Teppich.
    »Freut mich.« Er reicht die Hand, das Hemd spannt sich faltenfrei über der gewaltigen Wampe. Hundertdreißig Kilo hat der bei der Größe.
    »Wir freuen uns.« Er zieht seinen Rolli mit Richtung Ausgang. »Dass du zu uns kommst, erleichtert die Arbeit ungemein. Eigentlich hatte ich gedacht, ich müsste reisen.«
    »Bei mir passte es die Woche ganz gut, und ab und zu mal rauskommen ist ja auch nicht so schlecht.« Beim Lachen bilden sich zwei Falten von den Nasenflügeln zum Kinn. »Du hattest am Telefon was von zwei Taten erzählt.«
    »Ja, der zweite Fall mit Ähnlichkeiten ist aus Weiden in der Oberpfalz...«
    »… ach, da wohnt ein Freund von mir...«
    »... aus dem Jahre 98. Ich habe den Kollegen Lechleitner, der war damals MK-Leiter, heute Morgen erreicht, und der kann leider nicht kommen. Mal schauen, wir werden ihn gleich bei der Besprechung vielleicht per Telefon dazuschalten.«
    Die Alte vom Bahnsteig reicht ihren Zettel auf dem Bahnhofsvorplatz im Nieselregen herum. Ein Kamelhaarmantel zückt das Portemonnaie, gibt ihr was mit einer Miene, als täte er was Verbotenes.
    »Der Wagen steht links, die Kollegen von der Bahnpolizei haben zwei Parkplätze, die man benutzen kann, wenn man es weiß.«
    Ein silbernes Daimlercoupé rollt gemächlich vor. Das war doch Doris. Sie steigt aus, der Fahrer auch, grauer Haarkranz, Jackett.
    Schnell einen Schritt zurück, die Telefonzelle gibt Deckung.
    Herzliche Umarmung vor dem Wagen, sie geht, winkt noch einmal. Kein Gepäck, wahrscheinlich zur S-Bahn. Halb zehn am Montagmorgen. Wahrscheinlich das ganze Wochenende nicht gesehen, jeder schön bei der Familie gewesen, da braucht man am Montag

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