Blutskizzen

Sie fährt mit dem Kugelschreiber den Strahl rückwärts. »Seit Mai 2002 wohnt er in unserem Bereich, ist nur letztes Jahr in das neue Haus eingezogen. Davor hat er seit Juli 01 in Eschweiler gewohnt, das ist, glaube ich, bei Aachen. Davor«, sie fährt mit dem Kuli weiter zurück, »seit Mai 2001 in Frechen. Da hab ich während meiner Zeit in Köln auch mal kurz gewohnt. Er kam aus Wiesbaden, wo er seit März 99 gewohnt hat. Du siehst, ganz schön unstetes Leben, aber wieso erzähle ich dir das alles, du kannst ja lesen.« Sie steckt den Stift ein, setzt sich auf den Stuhl vorm Schreibtisch. Die hat so was ganz Kühles. Wie die wohl aussieht, wenn sie’nen Orgasmus hat?
    Von vorne. April 1992 Erlangen, das war nach der Haftentlassung. Im Oktober 1995 nach Chemnitz.
    »Hat er auch einen kleinen Abstecher in die neuen Länder gemacht.«
    »Ja«, sie steht wieder auf, »aber nur kurz, nicht mal ein Jahr, richtig?«
    Richtig. August 1996 Amberg.
    »Amberg habe ich nachgesehen, liegt auch da unten im Nürnberger Bereich, den hat er erst 99 verlassen, als er nach Wiesbaden gezogen ist.«
    »Nur eine längere Phase, nämlich seit 2002 hier bei uns, dafür zwei extrem kurze von Oktober 95 bis August 98 in Chemnitz und von Juli 01 bis Mai 02 in Eschweiler.«
    So, mal sehen. Der Bericht von Oliver. Erste Tat, z. N. Benz, 02. 08. 98, Kripo Weiden.
    »Darf ich da reinmalen?«
    Sie zuckt wortlos mit den Schultern, passt ihr nicht so richtig, egal jetzt. Andere Farbe, rot, dünner Strich, wir machen es auch möglichst akkurat, Sonja.
    »August 96 ist er nach Amberg gezogen, zwei Jahre später wird in Weiden Adolf Benz ermordet. Dann...«
    Der Bericht, blättern. Zweite Tat, 06. 03. 01 z. N. Werner Schmitz, Kripo Leverkusen. Roter Strich.
    »Im Mai 2001 ist er nach Frechen gezogen, und im März 01 wird in Leverkusen Hans Werner Schmitz ermordet.«
    »Allein damit kriegen wir ihn nicht an den Galgen, aber entlastend ist was anderes.«
    »Denke ich auch. Hast du schon mit Mark oder Sebastian gesprochen?« Sie nickt. »Gut, dann kennst du deren Ergebnisse. Ich behalte den Zettel mal hier. Wir treffen uns in zehn Minuten bei Ulla und Atze.«
    Sie ist einverstanden, geht. Die ist im Bett bestimmt auch beherrscht.
    Die E-Mails.
    Polizei Leverkusen, Polizei Weiden/Oberpfalz, na also. Öffnen.
     
    Hallo, Kollege Kirchenberg, der EKHK Gustav Klöpper ist privat unter der Nummer...
    Sofort eintippen. Dreimal bimmeln.
    »Klöpper.« Bariton.
    »Konstantin Kirchenberg, von der Kripo...«
    »Ah ja, die Kollegen von der K-Wache haben mich grad angerufen, dass ihr meine Privatnummer wolltet. Was gibt’s denn so Wichtiges?«
    »Ich falle am heiligen Sonntag mal gleich mit der Tür ins Haus. Wir haben hier bei uns zurzeit zwei Mordkommissionen laufen, in denen jeweils ein alter Mann nackt und gefesselt in einem Müllcontainer gefunden wurde, in beiden Fällen sind die Opfer erwürgt worden. Ein früherer Kollege von uns, der jetzt bei der OFA am LKA Dienst macht, hat mal recherchiert und rausgekriegt, dass« - du? Sie? -, »dass du 2001 einen ähnlichen Fall...«
    »… MK Schmitz...«
    »... bearbeitet hast, der noch ungeklärt ist.«
    »Hm. Alte Männer, nackt im Müll.«
    »Richtig.«
    »Und von den Klamotten und so weiter fehlt jede Spur. Tatort auch unbekannt?«
    »Richtig.«
    »Könnt ihr was zum Motiv sagen?«
    »Nicht viel. Ein Opfer war ein alter Mann, der fast als Einsiedler lebte, aufgrund seiner Bankbewegungen aber über einen größeren Betrag Bargeld verfügt haben könnte. Der zweite war relativ wohlhabend und bei dem waren der oder die Täter auch in der Wohnung und haben eine Reihe wertvoller Sachen mitgenommen. Er ist aber vermutlich nicht da getötet worden.«
    »Leck mich am Arsch, das hört sich schon eigenartig an.« Ein Freund des deutlichen Wortes. »Aber um Genaueres zu sagen, bräuchte ich natürlich mehr Informationen.«
    »Das war der Grund meines Anrufes. Wäre es möglich, dass wir uns in der nächsten Woche frühzeitig treffen, vielleicht schon morgen?«
    »Hm«, kleine Pause,«eigentlich sieht es diese Woche ganz gut aus.« Noch eine Pause. »Pass auf, Kollege, ich muss morgen früh auf der Dienststelle eine Sache regeln. Wenn das klappt, steige ich in den nächsten Zug und komme. Ich denke mir, es ist leichter, ich bringe meine fünf Ordner mit als ihr euer ganzes Zeug, wenn ihr in einer aktuellen MK seid.«
    »Also, wenn das ginge, wär das natürlich toll, hätte ich gar nicht zu hoffen gewagt. Du meldest