Blutskizzen
MKs hier vor Ort, dann der Kollege Jäger, der ist Aktenführer, außerdem noch Günter Klöpper aus Leverkusen. Ich hatte vorhin im Vorgespräch ja schon gesagt, dass wir auf euren und einen zweiten Fall durch die Fallanalytiker vom LKA gekommen sind, und der Kollege Klöpper hat in 2001 die Ermittlungen in diesem Fall geleitet. Leider haben wir gegenseitig unsere Ermittlungsakten nicht vorliegen, müssen wir irgendwie versuchen, das mündlich zu machen.«
»Ja, ich hatte ja eben schon angedeutet, dass wir damals eigentlich ziemlich sicher waren und ich es bis heute bin, dass wir die Täter kennen.« Der Lautsprecher gibt seiner Stimme elektronische Leblosigkeit. Klingt trotzdem mürrisch. »Unser Opfer Adolf Benz war Beamter in einer mittleren leitenden Funktion, er war im Rat einer kleinen Stadt hier in der Nachbarschaft, nichts Bedeutendes, und er war schwul, hat das zwar nicht offensiv gelebt, es war aber auch nicht unbekannt. Wir konnten damals ermitteln, dass er eine Beziehung zu einem etwas zwielichtigen Geschäftsmann aus Bamberg hatte, den er in einem Internetforum kennen gelernt hatte, und der das Ganze eben nicht offen gelebt hat. Die Beziehung ging in die Brüche, und Benz hat dem früheren Lover gedroht, ja, ihn fast ein wenig erpresst, dass er die Sache an die große Glocke hängen würde. Das konnten wir aus einem sichergestellten Brief ersehen, und der Erpresste hat das auch nach einigem Zögern zugegeben. Wir glauben, dass dieser Mann mit seinem neuen Partner für den Mord verantwortlich ist. Wir haben Fasern vom Opfer im Fahrzeug des Täters sichern können, er konnte das damals aber erklären, die beiden hatten schließlich noch Kontakt gehabt. Wir haben leider keinen dringenden Tatverdacht hingekriegt. Trotzdem bin ich aufgrund der gesamten Situation ziemlich sicher, dass er unser Mann war. Er ist übrigens 2003 gestorben.«
»Gibt’s Fakten, die dagegen sprechen? Ich meine, du bist sehr überzeugt, aber trotzdem.« Klöpper. Sieht schon eigenartig aus, wenn jemand mit’nem Plastikkasten spricht.
»Das Einzige, was wirklich dagegen sprechen könnte, war, dass sie bis etwa drei Uhr in der Nacht vor dem Auffinden der Leiche ein Alibi hatten. Wenn das stimmte und der Mann sich damals nicht vertan hat, könnte es mit der Liegezeit der Leiche etwas knapp werden.«
»Ich möchte dich trotzdem bitten, ein paar Sachen nachträglich zu überprüfen. Wir sind zurzeit noch dabei, ein Bewegungsbild von unserem Tatverdächtigen zu erstellen, und der hat zur damaligen Zeit in Amberg gewohnt, das muss bei euch in der Nähe sein.«
»Ungefähr fünfzig Kilometer.«
»Wenn wir das Ganze komplett mit Wohnungen und Arbeitsstellen haben, könnt ihr das vielleicht noch mal neu überprüfen.«
»Habt ihr damals eine Opfer-DNA gemacht?« Ulla, alle anderen starren auf den Kasten.
»Nein, haben wir nicht. Gehörte 98 noch nicht zum Standard.«
Die Tür geht auf, Thorsten.
»Jetzt nicht!« Ulla genervt, rettet einen Rest Freundlichkeit herüber.
»Ist aber wichtig. Zwei Leute von der Wache sind hier, die haben euren Penner vom Supermarkt.«
»Was? Soll Ernst machen.«
»Ernst ist nicht da«, Ulla von der Seite, »der ist in der Wohnung Neumann, weil heute Morgen der Mensch von der Safefirma kommt. Ist auch besser so, der war heute ungenießbar.«
»Das hat sich eh schnell erledigt, wie ich das sehe.« Thorsten macht ein Fischmaul.
»Wieso?«
»Na, weil der sich auf den ersten Blick mindestens die Hälfte seines Gehirns weggesoffen hat.«
»Ich komme.«
»Irgendwelche Probleme?« Der Lautsprecher stellt Fragen.
»Macht schon mal weiter.«
Draußen ein junges Kollegenpärchen, sie haben ihn in der Mitte. Graue Haare, grauer Bart, seine Augen wandern ständig, vermeiden Kontakt. Die Lippen sind ununterbrochen in Bewegung, er brabbelt.
»Hallo, ich bin Ingo. Ihr hattet ja darum gebeten, dass wir öfter mal am Supermarkt vorbeifahren. Heute haben wir ihn hier angetroffen. Hatte es sich mit drei Flaschen Bier gerade in seinem Wohnzimmer gemütlich gemacht.«
Brabbeln.
»Nach Personalpapieren haben wir noch nicht gesehen«, die Kollegin übernimmt, »obwohl sich das mit dem Gestank noch in Grenzen hält, hatten wir schon schlimmer.«
Stimmt, er riecht nur etwas streng, mittlere Bierfahne, keine Pisse. Die Steppjacke ist zwar siffig, die Turnschuhe auch, aber die Hände sind in letzter Zeit mal gewaschen worden.
»Ich nehme ihn mal mit. Danke für die Unterstützung. Ach ja, wie heißt er?«
»Der
Weitere Kostenlose Bücher