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Blutskizzen

Titel: Blutskizzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Horst
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keiner sieht das, wie auch, ist wie Musik, wer würde das wollen...«
    Thorsten kommt wieder, Ernst im Schlepptau. Er stellt ihm die Flasche hin, Ernst geht aus seinem Sichtfeld, stellt sich ans Fenster.
    »… wer sollte das schon sein? Brüder, wir wären Brüder, aber alles schmeckt nach Granatapfel, ja, Granatapfel. Wer? Ich? Wer das klaut, trinkt auch Tierblut, sagen sie ja, ist gar nicht von mir, immer alles abstreiten...«
    »Will Walter noch ein Bier?« Einmal die Flasche anheben, geräuschvoll abstellen.
    Er ist still.
    »Walter mag Bier«, nimmt einen Schluck.
    »Walter holt sich manchmal Sachen aus dem Müll?«
    »Mittwoch guter Müll, Donnerstag manchmal.«
    »Hat Walter mal was Schlechtes im Müll gefunden?« Er sagt nichts, verzieht den Mund. »Walter sollte was trinken.« Er trinkt. »Hat Walter mal was im Müll gefunden, was da nicht hingehört?« Er trinkt. »Hat Walter mal einen Menschen im Müll gesehen?« Zucken.
    »Scheißsingerei, verdammte.« Na, super. »Tausend Mal gesagt, aber nur Fremde, wie soll man hören mit fremden Ohren, will doch keiner hören, und diese Fenster, gefährliche Fenster, Fenster fressen Augen, aber sag das mal einem, wer zerstört hier eigentlich wen? Gelaber und Gerede, und, hört einer zu?«
    »Will Walter noch trinken?«
    Er ist still. Es klappt.
    »Hat Walter mal einen Menschen im Müll gefunden?«
    Er trinkt, noch einen Schluck, noch einen.
    »War ganz kalt.« Sein Blick immer noch auf Wanderung, aber etwas ruhiger.
    »War ganz kalt?«
    Einen Schluck.
    »Walter will wärmen. Walter hat nichts.«
    »Nichts zum Wärmen da?«
    »Walter hat nur eine Decke, Walters Decke. Walter mag keine Kälte.«
    »Hat Walter gesehen, wer das in den Müll getan hat?«
    Er trinkt, atmet hörbar.
    »Es war dunkel. Hat Walter was gesehen?«
    Wir brauchen Michels Bild aus der Nürnberger Akte,’ne Gegenüberstellung brauchen wir mit dem eh nicht zu machen. Ist zwanzig Jahre alt, aber Michels hat sich nicht sehr verändert. Notieren. Ernst nimmt den Zettel, zwei Sekunden Skepsis, er geht.
    »Walter macht keinen Ärger.«
    »Konnte Walter was sehen im Dunkeln?«
    »Wenn die Klappe aufgeht, geht das Licht an.«
    Sieh an, sieh an. Hat er nicht bedacht. Ernst kommt wieder, bleibt seitlich stehen.
    »Hat Walter den Mann gesehen?«
    »Blauer Müllsack.«
    »Hat Walter den Mann gesehen?«
    »Blauer Müllsack, wieder mitgenommen.«
    »Hat Walter das Gesicht von dem Mann gesehen?«
    »Wenn die Klappe aufgeht, geht das Licht an.«
    Kurze Aufforderung, Ernst reicht das Bild.
    »Hat Walter diesen Mann gesehen?«
    Das Bild auf den Tisch, er streift es kurz, dann etwas länger, sein Atmen ist zu hören, er trinkt, noch ein kurzer Blick. Das Zucken.
    »Liebe, alles nur Täuschungsmanöver, spanische Wände, wer Angst hat, soll Liebe nicht probieren, alles nur Sprüche...«
    »Na, was meint ihr?«
    »… kann es doch nicht geben...«
    »Schon eigenartig, aber längst kein Beweis.« Ernst verschränkt die Arme.
    »… Brüder haben keine fremden Augen...«
    »Schwer zu sagen. Gesehen hat er auf jeden Fall was.« Thorsten kommt aus seiner Ecke.
    »… die Wahrheit ist aus Glas...«
    »Wir machen das Ganze später noch mal, aber dafür brauchen wir ein aktuelles Bild von Michels.«
    »…’ne schöne Runde ficken...«
    Alle sehen sich an. Thorsten muss lachen.
    »Der Tipp zum Wochenanfang.«

15 Uhr 10
    Scheibenwischer Stufe eins hat Mühe.
    An alles gedacht, eigentlich. Nach außen hin eine normale Familie, Häuschen im Grünen, blitzsauberer Vorgarten, Mondeo Kombi. Und fleißig sind wir und christlich, und unser Ruf ist so sauber wie unser Vorgarten. Wenn er’s wegen der Kohle macht, wozu braucht er die? Zocken? Sitzt er noch irgendwo mit drin? Aber dann lebt man doch anders, wozu dann diese Fassade? Vielleicht ist es gar nicht die Kohle. Was hat Oli gesagt? Diese Machtgeschichte kommt auch vor.
    Stufe zwei ist zu hektisch, furchtbar.
    Mitnehmen, bewusstlos schlagen, ausziehen, fesseln. Er liegt nackt und schutzlos da, völlig schutzlos. Dann langsam würgen, loslassen, würgen, er windet sich, loslassen. Noch mal dasselbe. Aber irgendetwas muss er gegen das Schreien tun. Das Klebeband. Vielleicht schneidet er ihnen ein kleines Loch vorne rein, zu klein zum Leben, groß genug zum langsamen Sterben. Der Atem wird immer schneller, erste blaue Spuren im Gesicht, es pfeift durch das Loch, Rotze fliegt heraus, immer schneller, das Klebeband wird fast zerrissen, die Augen treten aus den Höhlen. Er sitzt

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