Blutskizzen
labert die ganze Zeit. Ich vermute mal, Walter, aber sicher bin ich mir da nicht.«
»Na, Walter, alles klar? Wollen Sie mal mitkommen?« Mal mit »Sie« anfangen, kann kein Fehler sein.
»Ja, ja, mitkommen, mitkommen. Hat keinen Zweck, keinen Zweck, Walter kommt mit, Polizei, hat keinen Zweck.« Kleine Pause. »Komm, lass das, Hand da weg, du machst das immer wieder, schon seit Jahren, niemand will da eine Hand, Hände sind böse, nein? Hände sind nicht böse? Böse Orte, Hände sind böse an bösen Orten. Ha, blöde Sau, fang nicht wieder mit der Singerei an, blöde Sau …«
Er trottet hinterher, die Bierfahne weht ihm einen halben Meter voraus. Stille Verständigung mit Thorsten, er bleibt dabei, geht vor in den Vernehmungsraum. Mit flotten Bewegungen schiebt er den Drehstuhl zur Seite, stellt einen Brettstuhl hin. Er setzt sich, sein Blick bleibt abwesend
»… immer diese Singerei. Sollte man einsperren, sollte man. Halt die Fresse. Diese Singerei, ist ja nicht zum Aushalten.«
Das können wir wohl vergessen. Die Hälfte weggesoffen, hat Thorsten ja fast noch untertrieben. Direkt davorsetzen, nicht zu dicht, freundlich sein.
»Du bist also Walter?« Das mit dem Siezen vergessen wir mal.
Er stockt für eine Sekunde.
»Walter ist da, Walter kommt mit, Walter macht keinen Ärger.«
»Und Walter, das bist du? Hast du einen Ausweis, Walter?«
Sein Blick wandert nicht über Brusthöhe, er atmet tief, seine Stirn glänzt.
»Walter ist da, kommt mit.«
»Möchte Walter einen Kaffee?«
»Walter macht keinen Ärger.«
»Oder will Walter lieber ein Bier?«
»Walter mag Bier.«
Thorsten nimmt den Blick auf, verlässt den Raum.
»Ist warm hier drin, will Walter seine Jacke ausziehen?«
Er löst die Druckknöpfe, zieht den Reißverschluss auf, zuckt kurz wie ein Huhn mit dem Kopf.
»Diese verdammte Scheißsingerei«, er zieht die Jacke wieder zu, »wenn man es nicht tausend Mal sagt, keiner hört doch, das ist es, keiner hört doch zu, verdammt. Ja, ja, es gilt das gesprochene Wort, jaja, Gelaber, nur Gerede von Fremden, wenn die Augen fremd sind, bleibt das Gelaber auch fremd, gestern auch wieder, man geht nur da lang, nur da lang, einfach auf der Straße, nicht in Fenster gesehen, Fenster fressen Blicke, die Straße frisst Schritte, nicht in Fenster gesehen...«
»War Walter gestern am Supermarkt?«
»… und wer will das schon, will einer das wirklich? Ha«, er lacht laut, »könnte man mal probieren, aber Verantwortung, wer übernimmt die Verantwortung?«
Thorsten kommt rein, stellt ihm eine Flasche Bier hin. Er stockt kurz, sieht die Flasche an, ansonsten kein Blickkontakt, nicht für eine Tausendstelsekunde.
»Will Walter seine Jacke ausziehen? Ist warm hier drin.«
»Walter mag keine Kälte.« Er streift langsam die Jacke von der Schulter.
»Wir hängen sie auf, ja.?« Thorsten nimmt das Ding, bedächtig zum Kleiderhaken, einmal schnell in alle Taschen gegriffen. Er hält einen vergilbten Zettel hoch.
Walter nimmt das Bier, trinkt fast genießerisch.
»Walter war heute wieder am Supermarkt?«
»Montags immer.« Ein Zucken auf seinem Gesicht. »Dass ich nicht lache, Liebe, wer sagt denn so was, Liebe, alles nur Sprüche, Liebe jagt einem die Angst aus den Gedärmen«, ausgiebiges Kichern, »’ne schöne Runde ficken, aber gesagt hat das nie einer, alles nur Täuschungsmanöver, fremde Menschen, fremde Augen, fremde Worte.« Er nimmt einen Schluck, wird ruhiger.
Thorsten winkt mit beiden Händen ab, hat wahrscheinlich Recht, davon ist nichts zu gebrauchen.
»Montags ist Walter immer am Supermarkt?«
»Montags immer. Morgens Getränke-Meier. Guter Fahrer.«
»Der Fahrer mag Walter?«
»Der Fahrer mag Walter.«
»Der gibt Walter Bier?«
»Walter mag Bier. Guter Fahrer.«
Thorsten legt den Kopf schief, dreht den Daumen nach oben und unten. Seine Stelle war ja auch direkt am Flaschenlager, hat’s wahrscheinlich mal Kontakt gegeben. Notieren, nachfragen.
»Mittwochs auch ein guter Tag?«
»Mittwoch Westmilch.«
»Auch ein guter Fahrer?«
»Kein guter Fahrer. Mittwoch guter Müll.«
Was heißt das? Schmeißen die ihre alten Sachen in den Müll, und er holt sich die?
»Mittwochs guter Müll?«
»Mittwoch guter Müll. Donnerstag manchmal.« Er trinkt einen Schluck, die Flasche ist leer. Thorsten sieht den Wink, geht los.
»Walter war länger nicht da, am Supermarkt. Hat das mit dem Müll zu tun?«
Wieder die Hühnerbewegung.
»Der Teufel wohnt hinter den Wänden aus Licht, aber
Weitere Kostenlose Bücher