Blutskizzen
schreiben, wir können das aber noch dazwischenschieben.« Thorsten mit gespieltem Fatalismus.
»Ne, schreib du man dein Zeug. Ernst hat gleich wieder Vernehmung« - er nickt -, »fahr ich dahin. Musst du auch schreiben oder kannst du mitkommen?«
»Wenn einer schreibt, reicht das.« Sonja hebt die Tasse. »Kann ich den Kaffee noch austrinken?«
»Kein Problem. Auf dem Rückweg wollte ich noch bei der Kirchengemeinde vorbei, da erreicht man telefonisch auch nie einen.«
Und endlich mal was essen, noch gar nichts gehabt, heute.
»Wir nehmen euer Auto.«
Sie nickt, stellt ihre Tasse ab, nimmt die Jacke.
13 Uhr 37
Holpriges Kopfsteinpflaster, dazwischen Betonflächen und Ziegelsteine. Die Federung verwandelt die Stöße in sachtes Schaukeln. An den Rändern vertrocknete braune Stiele, die meisten sehen aus wie Disteln. Im Gebäude 17b, hat Korte gesagt. Links die Lagerschuppen, rechts endet ein alter Schienenstrang. Auf dem rissigen Balken des Puffers sitzt ein Spatz, wucherndes Kraut zwischen den Gleisen. Da ist es. Auf dem Dach wächst aus einer Falz eine kleine Birke, unter der Laderampe alte Metallgestelle, ein rostiger Fahrradrahmen ohne Räder, Zigarettenstummel.
»Hat auch schon mal bessere Zeiten gesehen.« Sonja nimmt die Metalltreppe, klimpert mit dem Schlüsselbund, der dritte Schlüssel passt, immer der letzte. Das hölzerne Rolltor quietscht, ein riesiger Raum, die Neonröhren bringen kaltes Licht.
»Rechts hat er gesagt.«
Zwischen den gestapelten Pappkartons nach rechts zwei Gänge, es riecht nach Holz und Kälte. Im zweiten Gang fällt hinten links das Licht auf eine Wand aus Brettern. Da beginnt wahrscheinlich der Bereich mit den abgetrennten Räumen. Würde sich schon ganz gut eignen als Tatort. Auf allen waagerechten Flächen hinterlässt der Finger eine Spur im Staub. Irgendwer scheint hier zwar noch was zu lagern, aber täglich kommt hier mit Sicherheit keiner mehr hin. Sie geht zielstrebig zur dritten Tür, hat aufgepasst, eben, steckt den Schlüssel in den Zylinder.
Ein Blick mit hochgezogenen Brauen.
»Woran könnten wir erkennen, dass es unser Tatort ist?«
»Getrocknetes Blut überall, Haken an der Decke mit Resten von Fleisch und die Knochen der Opfer, die wir noch nicht gefunden haben.«
Sie grinst artig.
»Nein, ich weiß es nicht. Die Opfer haben zwar geblutet, aber nicht viel, einfach den Gesamteindruck wirken lassen.«
Sie schließt auf, die Tür öffnet sich ohne Geräusch, der stehende Flügel klappert in der Verankerung.
»Lass uns vorsichtig sein, erst mal hier stehen bleiben.«
Aus einem kleinen Oberlicht im Dach fällt karges Licht in den Raum. Größer als anzunehmen war, mindestens hundert Quadratmeter. Links und in der Raummitte hohe Regale mit Kisten und anderem Zeug. Von der Decke hängen zwei Fassungen mit Glühbirnen, links ist ein Schalter. Einmal drücken, ein Blitz mit Knall, es bleibt dunkel. Durchatmen. Das Adrenalin meldet sich mit leisem Kribbeln.
Sonja pustet hörbar, wühlt in ihrer Tasche, hat eine Taschenlampe in der Hand.
»Du bist ja vorbildlich ausgerüstet. Leuchte mal den Boden ab. Was hat Korte gesagt? Könnte ein paar Wochen her sein, dass hier jemand drin war?«
»So was Ähnliches.«
Hinknien, einmal mit dem Finger über den Estrich. Auf der Fingerkuppe ein schwacher staubiger Rand.
»Zumindest nicht so staubig wie draußen. Leg die Lampe mal auf den Boden.«
Der Lichtkegel bricht sich an den Unebenheiten, im Staub sind keine Muster zu erkennen.
»Schwer zu sagen. Lass uns mal weitergehen, in der Gangmitte bleiben, dann ist das schon okay.«
Sie geht vor, durch die großen Fächer des Regals in der Mitte sind an der Wand dahinter Schränke sichtbar. Scheinen alte Schränke zu sein. Sie leuchtet voraus, an der Wand ein Hubwagen und zwei Sackkarren. Das Regal ist zu Ende, sie geht nach rechts, in der Ecke ein riesiger alter Schreibtisch mit alten Ordnern und losen Blättern. Listen, wie es aussieht, noch eine alte Kaffeetasse mit abgebrochenem Henkel voller Stifte.
»Leuchte mal dahin.«
Sie lässt den Lichtkegel weiter nach rechts wandern, tastet damit an der Wand drei alte Schränke ab. Am Ende des Ganges steht ein helles Uraltsofa, links davon liegen Papprollen. Vor dem Sofa ist auf dem Boden eine Fläche mit Pappe ausgelegt.
»Darf ich mal.«
Sie reicht die Lampe. Die Schränke sind nicht verschlossen. Im ersten hinter beiden Türen Papierkram, im zweiten auch, nur in den oberen Fächern ein paar Schraubenzieher,
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