Blutskizzen
Obdachlose, sondern auch immer mehr Rentner kommen mit ihrem Geld nicht aus. Auch für diese bieten wir häufiger eine warme Mahlzeit an.«
»Wo findet so etwas statt?«
»An vier Stellen in der Stadt. Wir arbeiten meistens mit sozialen und karitativen Zentren zusammen, in der Südstadt nehmen wir eine Grundschule.«
»Und die anderen drei sind wo?«
»In der Vogelsiedlung, weil in den Hochhäusern viele ältere Leute mit geringen Renten wohnen.«
»Und die anderen beiden?«
»Im Zentrum Georgstraße und am...«
»In der Georgstraße?« Drei Straßen von Kunzes Wohnung entfernt. »Wie oft findet so etwas statt?«
»Ab dem 01. 10. an jedem Wochenende.«
»War Herr Michels in der Georgstraße auch mal dabei in letzter Zeit?«
»Einmal, Anfang Oktober, waren wir gemeinsam dort, das weiß ich sicher. Ansonsten konnte ich mich in diesem Jahr noch nicht freimachen.«
»Anfang Oktober. Könnte mir jemand anderes in der Gemeinde Auskunft darüber geben?«
»Da müsste ich bei den Brüdern und Schwestern nachfragen.«
»Tun Sie das. Hier ist meine Karte. Sobald Sie wissen, wer dort noch die Suppenkelle geschwungen hat, rufen Sie mich bitte an.«
Er will zur Tür geleiten, nicht nötig.
Draußen ist der ganze Himmel dunkel.
»Könnten Sie sich da getroffen haben?« Sonja sucht Schutz unter dem kleinen Vordach.
»Möglich. Das ist der erste Hinweis auf einen möglichen Täter-Opfer-Kontakt im Fall Kunz. Vielleicht haben die anderen auch schon was.« Die Zentralverriegelung öffnet mit metallischem Klacken. »Ich müsste grad wo vorbeifahren, hast du noch zehn Minuten Zeit?«
Hat sie.
Es regnet fiese, kleine Tropfen.
Sonja bleibt im Auto, dauert nicht lange.
Nur zwei Gäste in der Ecke, einer kaut am Stehtisch. Der Clown ist nicht da. Ayse kramt hinter dem Tresen, blickt auf.
»Hallo, netter Besuch. Na, was darf’s sein?« Ein Lächeln wie Licht.
»Hunger hätte ich schon, aber keine Zeit. Wenn, dann was Schnelles auf die Hand.«
»Schwierig. Der Dönerspieß ist frisch, der braucht noch zwanzig Minuten.« Sie zeigt nach hinten.
»Dann ist es egal, wollte eigentlich nur mal fragen, wie es mit unserem Essen aussieht. Ist das noch in der Planung?«
»Warum nicht?«
»Ich dachte nur, vielleicht hast du ja wenig Zeit, so im Augenblick.«
»Wieso?« Stirnrunzeln.
»Na ja, vielleicht wird man ja öfter zu Spazierfahrten in Nobelkarossen eingeladen, so in letzter Zeit.«
In ihrem Gesicht mitleidiges Erkennen.
»Ja, ja, so was soll vorkommen.« Offener Spott.
»Ja, und da dachte ich, du hättest halt keine Zeit mehr für andere Dinge.«
Sie atmet einmal tief ein.
»Damit eines klar ist: Opferrollen mag ich überhaupt nicht.« Die Ernsthaftigkeit kehrt in ihren Blick zurück.
Scheißsituation, verdammt. Ein Einfall, los. Humor?
»Okay, Baby, liegt mir auch nicht. Heute Abend, und pünktlich, klar!«
Sie prustet los, wirft mit dem Handtuch. Ganz schön vertraulich.
»Da wollen wir mal nicht ins andere Extrem fallen. Aber heute Abend ist okay, sonst kriegen wir das überhaupt nicht mehr hin. Nur nicht ganz so früh.«
»Passt mir auch besser, weil wir in einer Ermittlung sind. Wann?«
»Ruf um acht noch mal an, dann kann ich mehr sagen.«
»Wohin gehen wir?«
»Hast du schon mal indisch gegessen?«
»Wir haben keinen Inder mehr. Der in der Innenstadt hat leider zugemacht.«
Sie überlegt einen Augenblick.
»Soll ich dir mal was Indisches kochen?«
Was kochen? Indisch?
»Ja klar. Wäre toll. Aber ich will dich nach so einem Tag nicht...«
»Ist schon okay, hab ich lange nicht mehr gemacht. Aber hier kann ich das nicht, Onkel Sener hat oben nicht mal einen vernünftigen Herd.«
»Versteh das nicht falsch, aber wir können das natürlich bei mir machen, ein paar Töpfe habe ich schon.«
»Gut, nichts dagegen. Wir können anschließend ja noch was trinken gehen.«
»In Ordnung. Blöderweise hab ich meinen Schlüssel im Büro. Wenn es bei mir länger dauern sollte und du schon was vorbereiten willst, kannst du ja schon mal rübergehen. Klingel bei Frau Gierth, sie wohnt zwei Etagen über mir und hat einen Schlüssel. Die kennt das schon in letzter Zeit.« Toller Spruch. Hört sich an, als gäben sich die Mädels die Klinke in die Hand. »Meine Schwester war letzte Woche da.«
»Frau Gierth, okay. Lass uns trotzdem noch telefonieren.«
Noch ein Gruß, bis heute Abend.
Ayse kocht indisch.
Sonjas Kopf lehnt an der Seitenscheibe, die Augen geschlossen.
15 Uhr 32
Sieht aus wie
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