Blutskizzen
einfach, bin mit den Gedanken ganz woanders.«
Gut ausgedacht.
»Und am Abend des 19. Oktober wollen Sie gegen halb elf zu Hause gewesen sein, aber Ihre Frau soll in dem Punkt von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Warum denn? Es könnte doch nichts Negatives dabei rauskommen, wenn die Dinge so sind, wie Sie sagen, immer wieder sagen.«
»Meine Frau ist ein herzensguter Mensch, aber sie ist von der Persönlichkeit her ein bisschen labil, sie wäre einer solchen Befragung nicht gewachsen. Außerdem, das habe ich Ihnen auch schon gesagt, könnte sie gar nichts dazu sagen, weil sie geschlafen hat, als ich nach Hause kam.«
Ernst kommt rein, verzieht sich leise in die Ecke neben Sebastian, hört zu.
»Wir haben Ihre Nachbarn befragt, von denen einige um die Zeit mit dem Hund draußen waren. Niemand hat Sie gesehen, Herr Michels.«
Er atmet tief durch, schickt versteckt einen längeren Blick zum Himmel.
Die Kopfschmerzen kommen zurück
»Dann werden die vielleicht nicht darauf geachtet haben, oder wir haben uns knapp verpasst. Außerdem, ich sage es noch einmal, hätte ich es gern, wenn meine Anwältin bei dieser Vernehmung dabei wäre.«
»Kein Problem, Herr Michels, verstehe ich nur nicht so ganz. Wenn es doch nichts gibt, was wir Ihnen vorwerfen können, warum brauchen Sie dann eine Anwältin? Sie sind doch ein intelligenter, eigenverantwortlicher Mensch. Sie können doch allein entscheiden, ob Sie bei der Polizei eine Aussage machen wollen und vor allem, was Sie sagen.«
Wieder ein tiefer Seufzer.
»Natürlich kann ich das, aber darum geht es doch gar nicht. Ich habe offensichtlich das Pech, dass es da ein paar unglückliche Umstände gibt, die in Ihren Augen dazu geeignet sind, mich vor dem Hintergrund meines früheren Lebens als einen Mörder darzustellen.«
»Sie waren, sagten Sie bereits, im Oktober häufiger bei der so genannten Speisung der Bedürftigen.«
»Richtig.«
»Immer in der Georgstraße?«
»Auch richtig, hab ich doch schon gesagt.«
»Kennen Sie einen Mann namens Werner Kunz?«
»Nein, das hatten wir auch schon.«
»Sehen Sie sich das Bild noch mal an. Er war auch in der Georgstraße.«
»Ich habe keine Erinnerung daran, auch dann nicht, wenn Sie noch lauter werden.«
»Sie haben ihn getroffen.«
»Nein.«
»Sie haben ihn getroffen, und Sie wissen es auch.«
»Nein. Bitte, könnten Sie etwas leiser reden.«
Stoisch, beherrscht, mit leisem Trotz. Er verhaspelt sich nicht.
»Was würden Sie eigentlich sagen, wenn Sie von jemandem mit Werner Kunz gesehen worden wären.«
»Ich würde sagen: Möglich, wenn der Mann bei der Speisung war.«
Für eine Sekunde schwappt eine kalte Welle der Überlegenheit durch den Raum. Oder was war das? Wir kriegen dich.
»Und was würden Sie sagen, wenn Sie bei der Ablage der Leiche mit Ihrem Speditionstransporter gesehen worden wären?«
Kurz ein Flackern in seinen Augen, wieder vorbei. Die Gegenüberstellung gestern kann er nicht einschätzen. Ernst wiegt im Hintergrund den Kopf. Skepsis?
»Ich würde sagen, das ist absolut unmöglich.«
Wieder mit alter Sicherheit. Zehn Sekunden Blickkontakt, noch fünf, noch zwei. Er hält Stand.
»Ich muss mal zur Toilette.«
»Gutes Gelingen.«
Sebastian steht auf, geht mit.
Es ist zum Wahnsinnigwerden. Eine gute Spur, eine.
»Das mit dem Container fandest du nicht so gut?«
»Wir können es ihm nicht wirklich vorhalten, ist’ne Platzpatrone. Wenn er merkt, dass nichts dahinter ist, womit wir ihn knebeln können, hilft uns das nicht.«
»Das ist doch die Scheiße, Ernst«, aufstehen, zum Fenster. »Wir haben bis jetzt nichts, womit wir ihn knebeln können. Das hatte ich mir auch anders vorgestellt. Wo warst du eigentlich den ganzen Morgen?«
»Ich habe Michels’ Schwägerin vernommen, die konnte nur heute.«
»Und?«
»Die ist das schwarze Schaf der Familie, hat kaum Kontakt zu den anderen. Trotzdem nicht uninteressant. Lies es dir durch, liegt bei Ulla.«
Wenn der nebenher alte Männer tötet, muss es doch irgendwo eine Verbindung geben, verdammt.
Aber die Kopfschmerzen sind weg, so gut wie. Heinz, du alter Schamane.
11 Uhr 14
Name: Conrad
Vorname: Magdalena
Geb.: 14. 02. 76
Geb.-Ort: Bad Krozingen
Neunundzwanzig, vier Jahre jünger als die eigenartige Schwester und nicht verheiratet.
Vorgeladen erscheint die u. g. …, weiter.
Ich habe bis zu meinem Abitur am Gymnasium in Bad Krozingen bei meinen Eltern gewohnt. Danach habe ich erst Jura und später Psychologie in
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