Blutskizzen
München und Hamburg studiert und habe seit der Zeit auch eine eigene Wohnung gehabt. Zurzeit arbeite ich als Psychologin in einer Firma, die sich mit Forschung und Konzepten im Bereich Marketing beschäftigt. Ich wohne derzeit in Basel.
Zum Verhältnis zu meinen Eltern befragt, kann ich sagen, dass ich etwa seit meinem zwölften Lebensjahr mit dem extrem gelebten christlichen Glauben wachsende Probleme hatte. Die Streitereien mit meinen Eltern wurden immer mehr, und ich wollte ganz einfach nicht nach diesen engen Regeln leben. In den Jahren bis zum Abitur wurde das immer heftiger, und es gab Phasen, da haben wir kaum miteinander gesprochen.
Nachdem ich ausgezogen bin und angefangen habe, mein eigenes Leben zu leben, ist der Kontakt...
Telefon.
»Kirchenberg, Mordkommission.«
»Ja, guten Morgen. Hier ist Otto Wagner, Herr Kirchenberg. Sie waren vorgestern bei uns, Sie werden sich erinnern. Ich bin der stellvertretende Marktleiter des Lukrativ-Marktes.«
»Herr Wagner, guten Morgen. Was kann ich für Sie tun?«
»Nun, es geht um den Obdachlosen. Ich weiß nicht, ob das wichtig für Sie ist, aber ich weiß schon länger, dass dieser hin und wieder an unseren Containern war. Eigentlich entsorgen wir unsere abgelaufenen Lebensmittel natürlich nicht in den Containern. Ich habe aber dann, meistens am Mittwoch, einige dieser Sachen, Yoghurt, Käse und so weiter, oben in einen Container gelegt. Verstehen Sie mich nicht falsch. Diese Sachen sind nicht schlecht oder verdorben, sie können eben nur nicht mehr verkauft werden, und Sie werden von den Firmen eh vernichtet.«
»Woher wussten Sie, dass er das tat, also, in den Containern nachsehen?«
»Ich hatte ihn ein- oder zweimal gesehen.«
»Haben Sie ihn hinterher auch noch mal beobachtet?«
»Nein. Ich habe nur manchmal morgens gesehen, dass er es genommen hatte.«
»Danke, Herr Wagner. Im Zusammenhang mit dem Leichenfund haben Sie aber nichts weiter festgestellt?«
»Nein. Ein Punkt noch: Ich würde es begrüßen, wenn Sie mein Vorgehen gegenüber Herrn Kroneberger vertraulich behandeln würden.«
»Das wird möglich sein. Danke für ihre Information, Herr Wagner.«
Ein Samariter. Könnte sich daraus was ergeben? Eigentlich nicht.
Nachdem ich ausgezogen bin und angefangen habe, mein eigenes Leben zu leben, ist der Kontakt fast völlig abgebrochen, vor allem zu meinem Vater. Lediglich mit Caroline habe ich häufiger telefoniert. Seit sie verheiratet ist, ist das zwar auch weniger geworden, aber wir sprechen uns hin und wieder noch.
Zu ihrem Mann, dem Bernd, kann ich nichts sagen. Ich habe ihn nur einmal gesehen, als ich mich mit meiner Schwester zum Kaffee getroffen hatte, da hat er sie abgeholt. Ich kann auch nicht sagen, ob ich ihm so etwas zutraue, dafür kenne ich ihn einfach zu wenig. Ich habe aus den Äußerungen meiner Schwester lediglich den Eindruck, dass er sehr viel arbeitet und auch wenig zu Hause ist.
Zu der Ehe der beiden kann ich natürlich wegen des geringen Kontaktes auch nicht viel sagen. Meine Schwester ist ein Mensch, der sich nie aus dieser Sünde- und Schuldgeschichte, die meine Eltern in erster Linie aus dem Glauben machen, befreien konnte. Darum sind sie ja auch aus der Kirche ausgetreten und leben jetzt in dieser hochfrommen Gemeinde. Caroline ist sehr verschlossen und redet auch kaum über ihre Ehe. Ich habe keine Ahnung, ob sie glücklich ist. Glück ist etwas, was meine Schwester möglicherweise für Sünde hält. Lediglich das Kind ist sehr wichtig für sie, was natürlich auch damit zu tun hat, dass das Muttersein die biblisch vorgesehene Rolle der Frau ist. Aber da gab es wohl auch einige Probleme, bis das so weit war. Meine Schwester hatte vorher nie intensive Männerbekanntschaften und auch kaum Erfahrung mit Männern, geschweige denn mit Sexualität, deshalb hat sie ja auch so spät geheiratet. Ich erinnere mich an ein Telefonat, das wir ein, zwei Monate nach der Hochzeit geführt hatten …
Die Tür geht auf, Sebastian, bleibt halb auf dem Flur stehen.
»Kurz zu deiner Information: Ich habe bei den Kollegen der Autobahn und dem Verkehrsfunk nachgefragt wegen des Zehnkilometerstaus auf der A 9 am Tage der Erweckung.« Die letzten Worte süßlich übertrieben. »Kann heute keiner mehr feststellen, ob es den wirklich gegeben hat.«
»Schade. Vielen Dank.«
Wäre ja mal was gewesen, hätten wir ihm gut unter die Nase reiben können.
Ich erinnere mich an ein Telefonat, das wir ein, zwei Monate nach der Hochzeit geführt
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