Blutskizzen
unruhiger, knetet mit den Händen, ihre Augen werden feucht. Lange geht das nicht mehr gut.
»Wir wollen Sie natürlich nicht quälen, Frau Michels, aber erlauben Sie mir in dem Zusammenhang noch eine Frage. Haben Sie vielleicht mal bei Ihrem Mann festgestellt, dass er anderweitige sexuelle Interessen hat? Ich meine, so als Ehefrau kommen einem ja manchmal die eigenartigsten Gedanken...«
Die erste Träne rinnt.
Es schellt. Das war’s.
Sie sieht erschrocken auf, wischt sich durchs Gesicht, geht zur Tür. Sie kommen zu dritt zurück.
»Das sind meine Eltern.«
Händeschütteln.
»Konstantin Kirchenberg von der Kripo, das ist Kollegin Seegers.«
»Ja, guten Tag, Conrad. Wir waren in Urlaub, sind natürlich sofort zurückgeflogen, als wir davon gehört haben. Das ist ja alles kaum zu fassen, und ich bin mir auch sehr sicher, dass das ein Irrtum ist.« Er sieht seiner Tochter ins Gesicht. »Was war jetzt hier los?«
»Wir hatten noch ein kurzes Gespräch mit Ihrer Tochter. Die letzten zwei Tage haben sie natürlich sehr mitgenommen, verständlicherweise. Wir waren auch gerade im Begriff zu gehen. Es kann sein, Herr Conrad, dass wir im Laufe des Tages auch zu Ihnen Kontakt aufnehmen.«
Verabschiedung, die Tür fällt ins Schloss.
»Ganz schön haarige Geschichte.« Sonja schüttelt die Rechte mit lockerem Handgelenk.
»Sie ist erwachsen und nicht entmündigt. Sie kann allein entscheiden, ob Sie was sagt.«
»Na ja. Und ich wusste gar nicht, dass du weißt, dass Ehefrauen manchmal die eigenartigsten Gedanken kommen.«
»Da greife ich auf die Erfahrungen aus meiner Zeit vor der Geschlechtsumwandlung zurück.«
Sie lacht.
Es ist kälter geworden.
14 Uhr 16
Im MK-Raum Ulla auf ihrem Platz, tippt, Atze am Drucker. Am Ende des langen Tisches zwei Teams in kleiner interner Besprechung. Altenkamp ist nicht dabei, schade, die Kopfschmerzen kommen zurück.
»Irgendwas Neues?«
Sie sieht kurz auf, muss ihre Konzentration unterbrechen, schüttelt den Kopf.
»Was Michels betrifft, nein.«
»Wäre ja auch zu schön. Und sonst?«
»Wir haben einen Zeugen, einen ehemaligen Arbeitskollegen von Neumann, der hat ihn kurze Zeit, nachdem ihn die Kellnerin im Café gesehen hat, auf dem Beifahrersitz eines Pkw mit hiesigem Kennzeichen gesehen.«
»Gut. Konnte er was zum Fahrer sagen?«
»Nicht viel. Dunkelhaariger Typ. Könnte sogar noch eine dritte Person im Fond gesessen haben.«
»Was zum Fahrzeug?«
»Wahrscheinlich ein älteres BMW-Modell, aber auch nicht hundertprozentig.«
Dunkelhaariger Typ. Kurze Zeit später, also nachmittags. Da hat er eigentlich gearbeitet.
Das Handy. Bruno.
»Hallo, Bruno.«
»Hallo, Konni, hast du’nen Augenblick Zeit?«
Telefon.
»Wiesing, Mordkommission.« Zuhören, nicken, sie sieht hoch. »Der steht neben mir, dauert einen kleinen Moment.«
Sie winkt mit dem Hörer, macht ein Zeichen. Was meint die? Kurz in die Ecke gehen.
»Bruno, pass auf, passt grad ganz schlecht, und die nächsten Tage könnte auch knapp werden, darum sag ich’s dir jetzt mal auf die Schnelle. Nach allem, was du mir erzählt hast, glaube ich, dass Doris was laufen hat, ja, bin mir fast sicher.«
»Wieso bist du dir so sicher?«
»Weil ich sie Montag Arm in Arm gesehen habe, mit einem anderen Kerl.«
»Was? Wo?«
»In der Stadt. Bruno, ich habe ein wichtiges Gespräch auf dem anderen Telefon. Ich muss jetzt Schluss machen. Ich melde mich noch, ja.«
Ulla reicht den Hörer.
»Kirchenberg.«
»Lechleitner, Kripo Weiden, grüß Gott. So, Kollege Kirchenberg, wir haben versucht, im Hinblick auf eure Informationen täterorientiert die Sache noch einmal neu zu betrachten. Ist schon ein bisschen schwierig nach all den Jahren, und so richtig was dabei rausgekommen ist auch nicht. Eine Sache ist vielleicht erwähnenswert. Wir haben versucht, Michels damalige Arbeitgeber aufzusuchen nach euren Recherchen. Die Schraubenfirma existiert nicht mehr, die Holzhandlung, bei der er kurz gearbeitet hat, aber schon. Der Chef konnte sich sogar noch erinnern, weil er eigentlich ein guter Mann war. Eine Sache ist damals aber passiert, die fast zu seiner Entlassung geführt hat. Er hat auf den Namen der Firma zweimal für einen Tag einen Toyota-Kleintransporter geliehen, ohne das zu sagen.«
»Hatte er damals einen eigenen Wagen?«
»Soweit wir ermitteln konnten, nicht. Die ganze Sache wäre übrigens fast nicht aufgefallen, denn die Holzhandlung hat hin und wieder mit der Autovermietung zusammengearbeitet, und
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