Blutspuren
Dippoldiswalde telefoniert und von dort Order erhalten, einen regulären Vermißtenvorgang anzulegen und erste Suchaktionen mit Freiwilligen aus den benachbarten Ortschaften zu organisieren. Inzwischen würde seitens des VPKA eine Suchmannschaft aus Bereitschaftspolizisten zusammengestellt und eine Meute Suchhunde angefordert, deren Einsatz für den nächsten Tag vorgesehen sei.
Sorgfältig nimmt der Polizist die Vermißtenanzeige auf, dann fragt er nach einem Foto von Steffi: »Wir brauchen’s für die Fahndung!« Kein Problem. Bibrach trägt die Konterfeis seiner Lieben in der Brieftasche stets bei sich.
»Dieter, du kannst sicher sein, wir nehmen die Sache nicht auf die leichte Schulter«, bemerkt Hechtmann abschließend.
Am frühen Nachmittag drängen sich fast zwanzig Menschen in Hechtmanns kleinem Büro. Schüler, Lehrer, Nachbarn und Leute der freiwilligen Feuerwehr sind gekommen, bei der Suche nach Steffi Bibrach zu helfen. Auf dem Schreibtisch liegt eine ausgebreitete Geländekarte. Wie ein Feldherr erläutert Hechtmann seinen Plan, teilt danach die Suchkräfte ein. Jedem Helfer wird ein eng begrenzter Suchabschnitt zugewiesen. Gärten, Ställe, Schuppen, Brunnen und andere Versteckmöglichkeiten innerhalb Falkenhains und auf der Strecke bis Schmiedeberg, aber auch die bergigen Flurstücke und das unwegsame Gelände seitwärts der Straße, nördlich und südlich von Dönschten, sollen abgesucht werden. Hechtmann selbst übernimmt die Kontrolle des winterlich verwaisten Waldbads. Die Aktion wird auf eine Dauer von drei Stunden begrenzt. Danach sollen sich alle Suchkräfte wieder bei ihm einfinden und Bericht erstatten. Ihm, als Vertreter der öffentlichen Ordnung, bleibt dann nur noch die Fertigung eines Protokolls über die Suchaktion. So jedenfalls will es die Kriminalpolizei, die nämlich, falls die Suche erfolglos abgebrochen werden muß, ab morgen die weiteren Ermittlungen im Vermißtenfall Bibrach übernimmt.
Bevor die Suchkräfte ausschwärmen, gibt VP-Meister Hechtmann ihnen mit auf den Weg: »Achtet auf jede Kleinigkeit. Gegenstände, Bekleidung, auffällige Bodenveränderungen usw. Solange kein Schnee fällt, haben wir gute Chancen, etwas zu finden!«
Als die Dämmerung hereinbricht, kehren die Helfer wieder zurück. Enttäuschung liegt in ihren erschöpften Gesichtern. Weder sie noch der VP-Meister konnten irgendeinen brauchbaren Hinweis aufspüren. Einziges Ergebnis: Dort, wo gesucht wurde, gibt es keine Spur des Mädchens. Hechtmann bedankt sich bei den Suchkräften für die Unterstützung, die betrübt von dannen trotten. Dann tippt er den Bericht über den Verlauf der Suchaktion. Ihn und den Geländeplan mit den fein säuberlich eingezeichneten Suchabschnitten heftet er in die Akte.
Todmüde kehrt er heim. Die Gattin hält schon seit Stunden sein Abendessen bereit. Doch er winkt ab, will nur noch eines: endlich schlafen.
Die Eltern des verschwundenen Mädchens sind nervlich völlig am Boden, werden von düsteren Vorahnungen gequält und finden auch in dieser Nacht keine Ruhe.
Zwei Nächte sind vergangen. Von Steffi Bibrach immer noch keine Spur. Im Ort kursieren bereits Mutmaßungen über die Gründe ihres plötzlichen Verschwindens. Nicht nur die Eltern glauben inzwischen, daß ihr etwas Schreckliches zugestoßen sein muß. Auch die Polizei nimmt die Sache ernst. Bereits am frühen Morgen finden sich deshalb Kriminalisten des Kommissariats 3 aus Dippoldiswalde im Büro des ABV von Falkenhain ein. Ihr Interesse gilt dem Stand der bisherigen Nachforschungen. Danach soll entschieden werden, ob die weiteren Ermittlungen noch in die Zuständigkeit des Kreisamtes fallen oder bereits von der Bezirksbehörde in Dresden geführt werden müssen. So verlangen es die Dienstvorschriften. VP-Meister Walter Hechtmann informiert die Männer über seine gestrigen Recherchen und die ergebnislose Suche. Der Mißerfolg ist ihm anzusehen. »Du hast alles Menschenmögliche gemacht, Genosse«, trösten ihn die Männer aus der Kreisstadt und übernehmen die Akte.
Die Fahnder sind besorgt: Ein 13jähriges, sittsames Mädchen aus einer ordentlichen, unbescholtenen Familie ist seit zwei Tagen spurlos verschwunden. Es gibt nicht die geringste Veranlassung anzunehmen, es sei wegen familiärer oder schulischer Probleme kurzerhand durchgebrannt. Könnte es sich verlaufen haben? Auch das halten sie für unmöglich. Denn das Mädchen ist in Falkenhain aufgewachsen, viele Leute kennen es, und die Gegend ist ihm
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