Blutspuren
Bereits am nächsten Vernehmungstag gesteht er, gemeinsam mit Hansjörg Krüger den Mord an seinem Bruder begangen zu haben.
Wenn der Vernehmer auf die Tatbeiträge seines Kumpels zu sprechen kommt, gerät Peter Huck mehrmals in ungebremste Wut, ein untrügliches Anzeichen dafür, daß die Kumpanei zu ihm längst zerbrochen ist. Und das aus triftigem Grund. Krüger hatte nämlich einen perfiden Plan ausgeheckt. Peter Huck sollte gehörig geneppt werden. Deshalb schickte er Vera Hafenberg zu ihrem alten Onkel. Sie legte ihm ein auf den 17. März 1979 zurückdatiertes Schriftstück zur Unterschrift vor, mit der er bestätigte, seiner Nichte 10000 Mark geliehen zu haben. Der arglose Onkel, ein Analphabet, ließ sich erfolgreich beschwatzen, wußte aber nicht, was er unterschrieb. Nun konnte Hansjörg Krüger die Aufnahme eines Darlehens für den Kauf des alten »Wolga« belegen. Auf diese listige Weise wollte er den Besitz des Fahrzeugs sichern und gegen eine mögliche Herausgabeforderung seines Freundes gewappnet sein.
Peter Huck hatte davon erfahren und folgerichtig den Schluß gezogen: »Die Hunde wollen mich übers Ohr hauen!« Heftige, auch handgreifliche Auseinandersetzungen folgten. Dann griff das Schicksal ein: Wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Verstoßes gegen Bewährungsauflagen mußte er hinter Gitter. Die Knastsituation verhinderte zwar weitere direkte Zusammenstöße, begünstigte aber die Entwicklung feindlicher Gefühle gegen seine bisherigen Komplizen.
Das aufgewühlte Gemüt des Beschuldigten wird taktisch genutzt, denn nach dem Motto »Ich muß jetzt lange brummen, aber die sollen auch bluten« fördert es seine Aussagebereitschaft. Der Vernehmer achtet darauf, daß Hucks Aussagen über die eigenen Beiträge am Mordgeschehen wahrheitsgetreu bleiben und nicht zusätzlich dem Mittäter angelastet werden. Später kommt die Rolle der beiden Frauen zur Sprache. Sich des Verrats bewußt, gibt Peter Huck nach einigem Zögern auch über deren Beteiligung Auskunft.
Als Hauptmann Schmelling das Vernehmungsprotokoll in den Händen hat, folgt der nächste Unersuchungsschritt: Seine Häscher werden in die Spur geschickt, um Hansjörg Krüger und seine Lebensgefährtin Vera Hafenberg zu verhaften. Edith Huck ereilt das gleiche Schicksal. Doch sie ist unverkennbar schwanger, rechnet deshalb mit Haftverschonung. Vergeblich, denn: Nach § 123 StPO ist auch »bei einer schwangeren Frau die U-Haft unumgänglich, wenn sie eines besonders schweren Verbrechens dringend verdächtigt wird«.
In den ersten Gesprächen bestreitet Hansjörg Krüger inbrünstig, an dem Mord beteiligt gewesen zu sein, wohl wissend, daß die Kripo keine objektiven Spuren gegen ihn in der Hand hat. Er erbost sich über seinen Kumpel, hält dessen Anschuldigungen für bloße Infamie, sich wegen des Autos an ihm zu rächen. »Was Peter da quatscht, sind alles nur Lügenmärchen.« Auch die beiden Frauen weisen erst einmal vehement jeden Vorwurf zurück, von einer Tötungsabsicht, geschweige denn von einem Mordplan, jemals etwas gewußt zu haben.
Doch Schmellings Männer bleiben unbeeindruckt von derlei Sicherungsverhalten. Gleich nach der Verhaftung der drei werden deren Wohnungen durchsucht. Ohne Mühe entdecken die Kriminalisten das Tonbandgerät und die Kugelboxen des Opfers, über deren Herkunft die Beschuldigten höchst widersprüchliche Angaben machen. Auch die kompletten Fahrzeugpapiere für den »Wolga GAS 24« und der fingierte Kaufvertrag, der Hansjörg Krüger zum rechtmäßigen Eigentümer macht, entgehen ihnen nicht. Schriftproben von einer alten Schreibmaschine aus der Wohnung der Eheleute Huck werden mit der Schrift auf dem Kaufvertrag verglichen. Ergebnis: Identität der Schriften.
Ein Sturmangriff an Vernehmungen bricht los. Aussagen des einen Beschuldigten werden zur Waffe gegen den anderen, Vorhalte zu wirksamen Geschossen. Da Absprachen untereinander nun nicht mehr möglich sind, verwickeln sich die Mörder und ihre Komplizinnen zwar in weitere Widersprüche, doch Stück für Stück offenbaren sie auch die Wahrheit.
Gegenüberstellungen, Aussagedemonstrationen, Rekonstruktionen und die weitere Ermittlung von Zeugen ergänzen die Strategie der Untersucher. Wenn diese, sich über Monate hinziehenden, Prozeduren für beide Seiten auch nervenaufreibend sind, bleibt die Wirkung nicht aus: Im Frühsommer des Jahre 1980 ist der Fall endgültig aufgeklärt. Hauptmann Schmelling kann die Akte über den Mord an Hans-Werner
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