Blutspuren
Grund seiner Heterogenität zu unterschiedlich sei, als daß daraus rechtsrelevante gutachterliche Schlüsse gezogen werden dürften. Zum anderen ist es bislang nicht gelungen, ein Untersuchungsverfahren zu entwickeln, das sowohl mit sicherer Aussagekraft als auch allumfassend angewendet werden konnte, weshalb international höchst unterschiedliche Untersuchungsmethoden zum Einsatz kamen (ein Umstand, der übrigens bis in die Gegenwart reicht).
In der DDR spielten Bodenuntersuchungen deshalb bis Anfang der 60er Jahre kaum eine Rolle. Danach fand eine rasante Entwicklung statt: Die kriminalistische Forschung konzentrierte sich auf der Basis mineralogischer und biologischer Untersuchungsverfahren auf die Entwicklung praktikabler Standards. Ihre Ergebnisse, eine Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen und die Ausbildung von Experten lösten dann in den 70er Jahren einen regelrechten Boom der kriminalistischen Bodenuntersuchung aus, der bis zum Ende der DDR anhielt. Mittels bewährter Verfahren (Stereomikroskopie, Polarisationsmikroskopie, Dünnschichtchromatografie, aber auch spezieller Methoden wie Kolorimetrie, Fluoreszenz und Chemolumineszenz, Raster- und Transmissionselektronenmikroskopie) war man nunmehr in der Lage, an Hand von Spuren im Milligrammbereich bereits Aussagen über Bodenarten zu treffen und auf dem Wege des Vergleichs mit den in der DDR gültigen geologischen Spezialkarten Herkunftsbestimmungen zu ermöglichen. Der Einsatz von Spezialisten für die Analyse von Bodenspuren zählte seit dieser Zeit zum allgemeinen Methodenarsenal der Morduntersuchung.
Die Fundortuntersuchung in der Umgebung des toten Mädchens führt nur zu spärlichen Erkenntnissen. Zu viele störende Einflüsse haben die Spurenlage beeinträchtigt. Barackeninventar wurde umgestellt, teilweise wurde dort ausgefegt, mehrere berechtigte Personen hielten sich also in dem Gebäude auf. Das nimmt niemand übel. Aber kriminalistisch gesehen bedeutet das eine starke Veränderung des ursprünglichen Zustands. Fazit: Bedeutsame Spuren werden wohl nicht mehr zu finden sein. Und so ist es auch. Bis auf mehrere in der Nähe der Eingangstür gesicherte Haare gibt es keine tatbezogenen Spuren. Wie sich noch herausstellen wird, sind diese aber dem toten Mädchen zuzuordnen. Auch ein exzellenter Fingerabdruck auf einer Flasche mit Farblösungsmitteln erweist sich als nicht tatrelevant. Er scheint älteren Datums zu sein und wurde womöglich von einem Handwerker verursacht.
Stunden später. Die Männer beenden die Untersuchung. Dr. Krüger verabschiedet sich und fährt davon. Bockelt und sein Team rücken in Richtung Dippoldiswalde ab, die Leiche des Mädchens wird zum gerichtsmedizinischen Institut Dresden überführt. Den Kriminalisten ist klar: Drei Untersuchungsversionen müssen den weiteren Verlauf der Ermittlungen bestimmen. So könnte durchaus ein Raubmord vorliegen, auch wenn die Beute unbedeutend ist. Zum anderen wäre ein Sexualmord im Sinne einer Verdeckungstötung nicht auszuschließen, auch wenn bislang keine Spuren einer Sexualhandlung festgestellt wurden. Und schießlich müssen Verwandte, Bekannte, Freunde und Nachbarn des Mädchens noch intensiver überprüft werden, denn ein Eliminierungsmotiv, das sich auf enge Täter-Opfer-Beziehungen gründet, muß sicher ausgeschlossen werden.
Zeitraubende Recherchen füllen die nächsten Tage aus. Eine vage Hoffnung verbinden die Männer der K mit den Gutachten über die Bodenspuren und die Obduktion. Sie könnten helfen, die weiteren Ermittlungen auf die eine oder andere Version zu fokussieren. Doch als sie vorliegen, bestätigen sich eigentlich nur alle bisherigen Vermutungen, auch wenn sie nun konkreter und objektiver erscheinen: So erbringt die Auswertung der Bodenspuren, »daß die Erdanhaftungen am Mantel und an den Schuhe der Geschädigten Artgleichheit aufweisen mit den Vergleichsproben aus der Umgebung des Fundorts«.
Auch das Obduktionsergebnis stützt im wesentlichen bereits vorhandene Vermutungen. Ursächlich für den Tod der Schülerin ist demnach ein Erwürgen. Nach Eintritt des Todes erfolgte zusätzlich eine Drosselung, zu der ein Strick und ein Draht benutzt wurden. Draht und Strick sind aber als kombinierte Sicherheitsdrosselung zu interpretieren. Ansonsten weist der Körper des Mädchens keine äußeren oder inneren Verletzungen auf. Auch das innere Genitale blieb unversehrt, das Jungfernhäutchen war intakt. Weder am Körper noch an der Bekleidung konnte eingetrocknete
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