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Blutspuren

Blutspuren

Titel: Blutspuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Girod
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eine aufgeschlossene, fröhliche und selbständige Schülerin, die nichts Besonderes darin sah, auch größere Strecken allein zu laufen, jedoch verhielt sie sich Fremden gegenüber sehr zurückhaltend und kontaktscheu. Eltern, Verwandte und Schulkameraden sind sich einig, daß Steffi freiwillig niemals mit einem Unbekannten mitgegangen oder in dessen Auto eingestiegen wäre.
    Bockelt schließt daraus, daß Steffi Bibrach den Täter kannte. Sie könnte, nachdem sie den Friseur in Dönschten verließ, ihm unerwartet einen Besuch abgestattet oder sich zu einem Stelldichein mit ihm verabredet haben. Auch ein zufälliges Zusammentreffen auf ihrem Nachhauseweg wäre denkbar. Es ist leicht vorstellbar, das Mitfahrangebot eines ihr vertrauten Auto-, Motorrad- oder Mopedfahrers nicht ausgeschlagen zu haben. Kurzum: Diesen begründeten Vermutungen gibt Bockelt den Vorrang gegenüber allen anderen Versionen, die er freilich auch nicht aus dem Auge verliert.
    Es ist für kriminalistische Untersuchungen charakteristisch, sich mitunter auf Ausgangsdaten beschränken zu müssen, denen allesamt das Attribut »möglich« anhaftet. Doch Möglichkeiten sind die Hängebrücken, den unwegsamen Dschungel in die Vergangenheit, in der das Verbrechen stattfand, zu durchqueren – wacklig zwar und beschwerlich, jedoch ein sicherer Weg zur Erkenntnis. Es kommt nur darauf an, alle denkbaren Möglichkeiten zu einem Netz gewissenhafter Prüfung zu verknüpfen, aus dem die Wahrheit nicht entrinnen kann. Bockelt ist sich gewiß: Die Beantwortung aller Untersuchungsfragen macht weitere flächendeckende Ermittlungen notwendig. Und diese werden eine riesige Informationsflut auslösen. Und genau das überfordert die Kräfte seines kleinen Teams. Deshalb muß Verstärkung heran. Nur: Von seinen eigenen Leuten in Dresden kann er niemanden mehr abziehen, weil sie mit der Untersuchung eines anderen Mordfalles total ausgelastet sind. Doch er benötigt weitere Kriminalisten, vor allem versierte Morduntersucher, und die wiederum gibt es nur in den Mordkommissionen der anderen Bezirke.
    Nun muß Bockelt bei der Polizeiführung in Dippoldiswalde und in Dresden um gut Wetter bitten und sie von seinem Vorhaben überzeugen. Deren wohlwollende Zustimmung wiederum ist die Voraussetzung, die Angelegenheit nach oben weiter zu reichen. Denn die letzte Entscheidung über eine überörtliche Abkommandierung trifft die Zentrale der Kriminalpolizei, die Hauptabteilung des Innenministeriums, im fernen Berlin. Eile ist geboten. Der Dienstweg ist einzuhalten. Trotzdem geht alles schnell und gut.
    Bereits am 15. März 1961 treffen aus verschiedenen Mordkommissionen der DDR mehrere Ermittler in Dippoldiswalde ein. Bevor sie jedoch ihre eigenen Untersuchungsideen umsetzen können, müssen erst die vorhandenen Dokumente durchgearbeitet werden. Nur so gelingt es, in einem laufenden Ermittlungsverfahren schnellen Anschluß an den aktuellen Erkenntnisstand zu finden. Das stundenlange Durchforschen der dicken Aktenbände erweist sich zwar als mühseliger Vorgang, bietet aber den Vorzug, die massenhaft angesammelten Daten analysieren und kritisch bewerten zu können.
    Unter den zugereisten Kriminalisten befinden sich Oberleutnant Lorenz aus Berlin und Oberleutnant Grimm aus Leipzig. Die beiden ernsthaften Männer sind Mitte Dreißig und gutaussehend wie Dressmen aus einem Modejournal. Ihre Aufmerksamkeit gilt dem Untersuchungskomplex »Vermißtenanzeige und Sofortmaßnahmen«, zu dem auch Pläne, Skizzen und Berichte über die Suche nach dem verschwundenen Mädchen zählen. Sie wollen nämlich der Frage nachgehen, warum die Tote nicht bereits im Dezember des Vorjahres gefunden wurde, als die offiziellen Suchmaßnahmen liefen. Denn es widerspricht jeglicher kriminalistischer Erfahrung, daß der Mörder sich erst nach Abklingen der Wochen dauernden polizeilichen Fahndungsaktivitäten entschlossen haben könnte, die Leiche zu verstecken, weil sie sich zu dieser Zeit bereits in erheblichem Zersetzungszustand befand.
    So stoßen Lorenz und Grimm auf zwei Suchberichte des VP-Meisters Walter Hechtmann. Präzise und wohl formuliert beschreibt er im Protokoll vom 16. Dezember 1960, das Gelände des Waldbads durchsucht zu haben. Dabei seien auch der Herrenabort und die Gerätebaracke kontrolliert worden. Diese Holzgebäude, durch Kastenschlösser gesichert, seien mit einem Sperrhaken leicht zu öffnen gewesen. Ein Hinweis auf die Vermißte habe sich nicht ergeben. Seinem zweiten Bericht vom

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