Blutstein
zuzuhören.
»Mamas Tante war heute Morgen zu Besuch.«
»Tante Ulla?«
»Ja, und sie sagte, dass sie für mich beten würde.«
Sie sah an Per vorbei an die Zimmerdecke.
»Ich wünsche mir, dass ihr All apologies von Nirvana spielt«, sagte
sie. »Und zwar die Instrumentalversion.«
»Wieso spielen? Was meinst du denn damit?«
»In der Kirche«, sagte Nilla leise.
Endlich verstand er, was sie meinte, und schüttelte den Kopf.
»Wir werden überhaupt nichts spielen«, sagte er und fügte hinzu: »Weil
das ... wird nicht notwendig sein.«
»Aber auf der Beerdigung«, sagte Nilla. »Da spielt ihr es bitte?«
Er nickte.
»Wenn dein Herz in achtzig Jahren auf der Tanzfläche stehen bleibt,
dann verspreche ich, dass ich Nirvana auflegen werde.« Er warf einen Blick auf
die Uhr: »Mama kommt gleich, wir haben noch ein Gespräch mit deinem Chirurgen.
Hast du ihn schon kennengelernt?«
Nilla verschränkte die Arme vor der Brust.
»Hmm. Er ist gestern Abend vorbeigekommen. Er hat nach Rauch
gerochen.«
Fünfzehn Minuten später saßen Per und Marika schweigend
nebeneinander vor einem großen Schreibtisch. Auch Per registrierte einen
schwachen Geruch von Zigarettenrauch.
Der Gefäßchirurg Tomas Frisch kam aus Lund und war etwa so alt wie
Per. Seinen Namen nahmen sie als gutes Omen. Er hatte zwar müde Augen, sah aber
braun gebrannt und eigentlich ziemlich entspannt aus. Er gab beiden die Hand:
»Das wird kein Routineeingriff, das steht fest«, sagte er. »Aber Sie
können uns vertrauen. Alle sind sehr erfahren, wir sind ein gutes Team.«
Dann klappte er seinen Laptop auf und schaltete ihn ein. Er rief
mehrere Bilder und Zeichnungen auf und erklärte ihnen, wie die Operation
vonstatten gehen würde.
Per hörte zu und betrachtete die Aufnahmen, wusste aber nicht, was
er sagen sollte. Am liebsten hätte er sein Gesicht in den Händen vergraben.
Tomas Frisch war der Pilot, der alle Insassen heil auf die Erde
bringen sollte. Aber er selbst saß gar nicht im Flugzeug – wenn Nilla es nicht
schaffen würde, riskierte Doktor Frisch nur seinen Ruf und seine Ehre. In
gewisser Weise, fand Per, war ein Chirurg kein Pilot, sondern eher wie Gott.
»Wir wissen, dass Sie Ihr Bestes geben werden«, sagte Marika, als
der Arzt seine Ausführungen beendet hatte.
»Jeden Tag aufs Neue«, antwortete Frisch.
Er lächelte sie an und gab ihnen erneut die Hand. Als sie das
Besprechungszimmer verließen, fragte sich Per, was Emils Eltern wohl zu hören
bekommen hatten.
Per blieb zum Mittagessen bei Nilla, aber sie bekamen alle nur ein
paar Bissen hinunter. Nachdem er sich von seiner Tochter verabschiedet hatte,
begleitete Marika ihn zum Fahrstuhl, was sie bisher noch nie getan hatte.
Vielleicht hatte dieses zähe, verzweifelte Warten sie einander ein wenig
nähergebracht, dachte Per, obwohl sie noch einen langen Weg vor sich hatten.
»Du kommst pünktlich zur Operation?«, fragte Marika.
»Selbstverständlich.«
»Wann denn?«
»So früh, wie es sein muss.«
Marika musterte ihn.
»Du willst nicht mit dabei sein, oder?«
»Nein, wer sollte das wollen?«, fragte Per entsetzt und sah sie an.
»Aber ich komme, versprochen.«
Die Fahrstuhltüren öffneten sich. Er beugte sich vor, um seine
Exfrau freundschaftlich zu umarmen, und sie ließ es zu.
Sie benutzt ein neues Parfum, stellte Per fest. Marikas Körper
fühlte sich müde und weich an und begann plötzlich zu zittern. Per hielt sie
schweigend im Arm, bis ihre Tränen versiegten. Zwischen ihnen gab es keine
Liebe mehr, aber freundschaftliche Zärtlichkeit.
Er hatte seine Arme um Marika gelegt und dachte an Vendela.
Als Per das Krankenhaus durch den Haupteingang verließ, sah er einen
Jungen mit blauer Jacke und schwarzem Rucksack, der von der Bushaltestelle mit
gesenktem Kopf auf ihn zukam. Auch er wirkte müde und schlecht gelaunt.
»Hallo, Jesper.« Per räusperte sich, um den Kloß im Hals
loszuwerden. »Hast du schon Schulschluss?«
Jesper nickte.
»Ich wollte Nilla besuchen.«
»Schön, da freut sie sich bestimmt. Sie wird ja übermorgen operiert,
wir haben vorhin mit dem Arzt gesprochen, der den Eingriff vornehmen wird. Er
ist sehr kompetent!«
Jesper nickte mit zusammengepressten Lippen. Er ging ein paar
Schritte weiter, hielt dann aber kurz inne und fragte:
»Hast du mit Opa weiter an der Treppe gebaut, Papa?«
»Die Treppe?«, wiederholte Per. Dann begriff er, dass Jesper ihr
Bauprojekt am Steinbruch meinte. »Natürlich, die ist fast
Weitere Kostenlose Bücher