Blutstein
Wir, nackt und
umgeben von Feuer und Qualm! Bremer hatte immer ein paar Eimer Wasser hinter
der Kamera stehen, falls sich das Feuer zu schnell ausbreiten sollte, aber ich
hatte tierische Angst, mit nacktem Hintern in den Flammen zu liegen.« Er musste
lachen bei dem Gedanken. »Haben Sie Bremer mal kennengelernt?«
»Nein«, antwortete Per. »Und auch er lebt nicht mehr ... er starb bei
dem Brand.«
»Was?«, fragte Jesslin und zog an seiner Zigarette.
»Kamen Sie gut klar mit Bremer, mochten Sie ihn?«
»Nicht besonders.«
»Warum nicht?«
Jesslin sah aus dem Fenster, als hätten ihn gerade traurige
Erinnerungen eingeholt.
»Ach, ich weiß nicht ... die Chemie zwischen uns stimmte nicht. Bremer
arbeitete schnell und zügig, er war immer ziemlich hart mit den Mädchen. Wenn
sie Schmerzen hatten und nicht weitermachen wollten, war ihm das vollkommen
egal. Dann mussten sie ihr Gesicht abwenden, damit man die Tränen nicht sah,
und es wurde weitergedreht. Den Film schnellstmöglich abzudrehen war sein oberstes
Gesetz.«
»Für Sie doch auch, nehme ich an?«, fragte Per.
»Klar, mit der Zeit wurde ich genauso abgebrüht, wie Jerry und er es
waren«, gab Jesslin zu. »Ich wollte den Film fertig machen und wieder nach
Hause fahren. Dieser Job hat einen mit der Zeit ziemlich abstumpfen lassen.«
»Und die Mädchen, die danach gestorben sind? Wie war es mit denen?«
Jesslin sah ihn fragend an.
»Meinen Sie Jessika Björk?«
»Jessika Björk?«
»Ja, sie hat auch im Moulin Noir gearbeitet, zusammen mit mir und
Daniel«, erzählte Tobias Jesslin. »Sie hat auch bei mehreren Filmen mitgemacht,
nannte sich Gabrielle oder so, aber ich habe von einem gemeinsamen Kumpel
gehört, dass sie vor ein paar Wochen bei einem Brand ums Leben kam. Echt
schade, sie war eine richtige Frohnatur. Und auch gar nicht alt, gerade mal
dreißig.«
»Bei einem Brand, sagen Sie?« Per beugte sich vor und sah Jesslin
eindringlich an. »Und Gabrielle war ihr Künstlername? Könnte es auch Daniele
gewesen sein?«
»Klar, Gabrielle oder Daniele.«
»Wann haben Sie die Frau das letzte Mal gesehen?«
»Oh, das ist lange her, zehn Jahre vielleicht. Wir hatten auch nicht
so engen Kontakt, haben uns nur ein paarmal angerufen. Ich glaube, Jessika und
Daniel Wellman hatten mehr miteinander zu tun.«
Stand also Jessika Björks Nummer auf dem Zettel aus Bremers Wohnung?
Vielleicht, aber was hatte es zu bedeuten? Per war so müde und ausgelaugt, ihm
fiel nichts mehr ein. Als hätte er keinerlei Lebenskraft mehr.
»Ich kannte Jessika nicht«, sagte er leise. »Aber Ulrica Ternman
hatte zwei Freundinnen, die auch Filme drehten. Und die sind beide tot.« Er
beugte sich vor und senkte seine Stimme.
»Ich muss unbedingt weitere Leute ausfindig machen, die mit Jerry
zusammengearbeitet haben«, sagte er eindringlich. »Haben Sie die Adresse von
einem der anderen Männer, die auch Markus Lukas waren?«
Jesslin drückte die Zigarette aus und schüttelte den Kopf.
»Wir waren nie dicke«, sagte er. »Der eine hieß Daniel Wellman und
wohnte in Malmö, mehr weiß ich nicht.«
»Haben Sie irgendwo vielleicht ein Foto von ihm?«
»Ein Foto? In Jerrys Zeitschriften sind doch haufenweise Fotos von
ihm.«
»Ja, aber keines zeigt ein Gesicht.«
Jesslin lachte und stand auf.
»Nee, stimmt, die Gesichter von uns Jungs waren auch nicht von
Bedeutung. Das Aussehen der Mädchen war wichtiger.«
Per erhob sich ebenfalls. Er hatte zwar nicht viel erwartet, war
aber trotzdem enttäuscht, dass er kaum weitergekommen war.
Jesslin blieb in der Tür stehen.
»Aber wenn Sie mich fragen, wer Hans Bremer in Brand gesteckt haben
könnte«, sagte er, »ich vermute, es war ein Ritter.«
»Ein Ritter?«
»Ein Freund oder Ehemann, der nach vielen Jahren herausbekommen hat,
dass Bremer sein Mädchen gefilmt hat. Jemand, der Ritter spielen und den guten
Ruf seiner Geliebten verteidigen will.«
Per musste an die helle Stimme denken, die bei Jesslin zu Hause an
den Apparat gegangen war.
»Wie sieht es denn mit Ihrem Ruf aus, Sie sind doch selbst Vater?«
»Alles in Ordnung«, erwiderte Jesslin. »Es ist immer schlimmer für
die Mädchen, die mal als Modell gearbeitet haben. Sie haben mehr zu verlieren,
wenn die Vergangenheit sie eines Tages einholt.«
»Finden Sie das gerecht?«
»Nein«, antwortete Jesslin aufrichtig. »Aber es sind eben Männer,
die diese Branche beherrschen, sie sind die Kunden, und es ist ihr Geld, und es
sind ihre Wertevorstellungen. So ist das
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