Blutstein
früher Morgen, und er lag nicht allein in seinem
Bett, es war kein Traum.
Doch es fühlte sich unwirklich an, Vendela Larsson neben sich liegen
zu haben – seit Marika gegangen war, hatte er jede Nacht allein verbracht.
Während Vendelas Atemzüge letzte Nacht immer gleichmäßiger und
ruhiger geworden waren, hatte er mit offenen Augen in die Dunkelheit gestarrt.
Er hatte sich gut gefühlt und doch ängstlich auf Besuch gewartet.
Besuch von Jerry.
Die wenigen Nächte, die er früher neben einer Frau verbracht hatte,
waren so verlaufen. Plötzlich hatte er den schweren Geruch von Zigarren in der
Nase gehabt oder sich eingebildet, sein Vater stünde in einer dunklen Ecke des
Zimmers und machte sich über seinen Sohn lustig.
Aber in dieser Nacht tauchte Jerry nicht auf.
Gegen neun Uhr morgens standen sie auf, und Per machte Frühstück. Er
kochte Kaffee und steckte Brot in den Toaster. An diesem Morgen gab es eine
ganze Reihe von Themen, die tabu waren. Aber sie hatten dennoch genug
Gesprächsstoff. Per hatte den Eindruck, Vendela schon lange zu kennen.
Dann aber wurde es Zeit, zu Nilla ins Krankenhaus zu fahren.
»Darf ich noch ein bisschen hierbleiben?«
»Willst du nicht nach Hause gehen?«
Sie sah zu Boden.
»Ich will da nicht sein ... ich kann Max jetzt nicht begegnen.«
»Es ist doch nichts passiert«, sagte Per.
»Wir haben die Nacht zusammen verbracht«, erwiderte Vendela.
»Wir haben uns gewärmt.«
»Es spielt überhaupt keine Rolle, was wir gemacht oder nicht gemacht
haben ... zumindest nicht für Max.«
»Bis bald, wir sehen uns«, sagte sie etwas später, als sie sich im
Flur voneinander verabschiedeten.
»Tun wir das?«
Sie lächelte ihn verlegen an, als er die Tür hinter sich zuzog.
Per ging zu seinem Wagen und atmete tief durch.
Was war da letzte Nacht passiert? Und war das so gefährlich? Sie
hatten doch eigentlich nur die ganze Zeit geredet und waren dann eingeschlafen?
Aber irgendwie war Pers Leben dadurch nur noch komplizierter
geworden, und er hatte die Befürchtung, dass es auf irgendeine Weise auch
Nillas Chancen beeinträchtigte, sie sogar verschlechterte.
Wenn es ihm gelänge, den richtigen Markus Lukas zu finden, würden
sie sich verbessern.
Er holte sein Handy hervor und rief die Auskunft an. Eine junge Frau
meldete sich.
»Ich brauche die Nummer von Daniel Wellman«, sagte Per und
buchstabierte den Nachnamen.
»Welche Stadt?«
»Malmö, glaube ich.«
Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Antwort kam:
»Es gibt keinen Eintrag unter diesem Namen.«
»Und wenn Sie in ganz Schweden suchen?«
»Nein, es gibt zwar Wellmans, aber keinen Daniel.«
Während der gesamten Fahrt nach Kalmar dachte Per ununterbrochen an
Vendela.
Als er aus dem Fahrstuhl stieg, um in Nillas Abteilung zu gehen, kam
ihm ein Ehepaar in seinem Alter entgegen. Sie sahen ungeheuer erschöpft und
niedergeschlagen aus.
Der Mann trug einen kleinen blauen Rucksack, und Per begriff, dass
es Emils Eltern sein mussten. Vermutlich hatten sie nur seine Sachen abgeholt
und würden jetzt zurück in ein leeres Haus fahren.
Pers warme Gedanken an Vendela schmolzen dahin. Er wurde langsamer,
sprach Emils Eltern jedoch nicht an – er wusste nicht, was er hätte sagen
sollen. Als sie an ihm vorbei zum Fahrstuhl gingen, wollte er sich am liebsten
mit der Stirn gegen die Wand lehnen und die Augen schließen.
»Hallo, Nilla, wie geht es dir?«
»Schlecht.«
Zwei Tage vor ihrer Operation war Nilla elend zumute, und sie hatte
miese Laune. Sie lächelte ihren Vater nicht an, als dieser sich auf ihre
Bettkante setzte.
»Du kommst doch nur vorbei, weil du musst!«
»Nein ...«
»Weil man so etwas tut !«
»Nein«, widersprach Per. »Es gibt einen Haufen Leute, die ich nie
besuche. Aber dich will ich sehen.«
»Niemand will eine Kranke sehen!«, behauptete Nilla.
»Das stimmt doch gar nicht.«
Sie schwiegen.
»Geht es dir heute nicht so gut?«, fragte er nach einer Weile.
»Ich habe mich gestern Abend zweimal übergeben.«
»Aber heute geht es dir wieder besser?«
»Ein bisschen«, sagte Nilla. »Die Krankenschwestern wecken mich viel
zu früh. Alle werden um sieben Uhr geweckt, und dann passiert nichts. Frühstück
und Medizin gibt es erst um halb acht.«
»Aber sieben ist doch gar nicht so früh?«, warf Per ein. »Das ist
ja, wie wenn man Schule hat ... als ich ins Gymnasium ging, musste ich jeden
Morgen um Viertel nach sechs aufstehen, um den Bus zu erwischen.«
Nilla schien nicht
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