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Blutstern

Blutstern

Titel: Blutstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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so etwas wie unser Dorfältester, gleichzeitig unser Medizinmann«, erklärte Nelion.
    Thomas merkte, wie plötzlich die Gedanken in ihm arbeiteten. Er dachte an Sabine und fragte sich, wie er wieder nach Deutschland zurückkommen könnte.
    Â»Wann tanzt ihr wieder in der Serena Lodge?«
    Â»Das muss bald sein, ich weiß es nicht genau«, antwortete Nelion.
    Â»Bekommt ihr dafür viel Geld?«
    Â»Nein, nicht viel. Aber wir kaufen davon Zucker, Tee und was wir sonst noch brauchen.«
    Tag für Tag wuchs Thomas’ Ungeduld und steigerte sich ins Unermessliche, als Nelion und die anderen Morani nach einigen Tagen schon um die Mittagszeit mit den Tieren von der Weide zurückkehrten.
    Â»Warum seid ihr so früh zurück?«, wunderte sich Thomas.
    Â»Wir werden heute mit den Mädchen bei der Serena Lodge tanzen und dort Souvenirs verkaufen.«
    Â»Oh, prima! Da komme ich gerne mit.«
    Â»Wir müssen zuerst den Laibon fragen«, gab Nelion zu bedenken.
    Das Gesicht des alten, gebückten Laibon verfinsterte sich, als er von Thomas’ Wunsch hörte. Eine heftige Diskussion mit Nelion schloss sich an. Der Alte legte seine Stirn tief in Falten, gestikulierte wild mit seinen dürren Händen und zeigte auf die Schafe und Ziegen, die sich inzwischen vor dem Dorf drängten, während die Rinder bereits in den inneren Viehkral getrieben waren.
    Â»Du sollst mit den alten Männern und den Frauen hier bleiben und die Ziegen und Schafe hüten«, übersetzte Nelion. »Es ist kein Platz auf dem Lastwagen und wir brauchen deine Hilfe.«
    Tief enttäuscht senkte Thomas sein Haupt. Sie hatten ihm das Leben gerettet und brauchten seine Hilfe. Da war es selbstverständlich, dass er blieb. Trotzdem beschlich ihn das Gefühl, dass der alte Laibon noch anderes im Schilde führte. Irgendetwas stimmte nicht. Warum ereiferte er sich so? Gab es noch andere Gründe, warum Thomas bleiben sollte?
    Er nahm einen Speer und zog mit den alten Massai vor das Dorf, wo sie die Schafe und Ziegen hüteten. Der Speer glänzte in der Sonne und Thomas kam sich plötzlich wichtig vor, als er die meckernden Ziegen, die sich in alle Richtungen verteilten, wieder näher ans Dorf trieb. Nach einiger Zeit sah Thomas den Lastwagen von der Lodge kommen, sah die Mädchen und die Morani auf die Ladefläche steigen, sah, wie sie Perlenschmuck, Speere und Schilde zum Verkauf aufluden und das Dorf verließen. Er hatte sich inzwischen mit einigen Ziegen zum Hügel bewegt, von dem aus man den Fluss und die Ebene überblicken konnte. Ich muss sehen, wohin der Laster fährt, hatte er sich überlegt. Er beobachtete, wie der Lkw schwankend wie ein Schiff das fast ausgetrocknete Flussbett durchquerte, am Fluss entlang Richtung Westen abdrehte und zwischen den Hügeln verschwand. Ich werde seiner Spur folgen, schwor sich Thomas. Wenn sie mich hier festhalten, muss ich eben eines Tages auf eigene Faust fliehen.
    Â 
    Am nächsten Morgen wurde er durch Motorengeräusche geweckt. Er schaute durch den Eingang seiner Hütte und es blieb ihm fast das Herz stehen. Durch das Dornengestrüpp, welches das Dorf der Massai umgab, erkannte er den Landrover der beiden Entführer. Mist, schoss es ihm durchs Hirn. Deshalb wollte ihn der alte Laibon nicht ziehen lassen. Sie steckten möglicherweise unter einer Decke oder der alte Massai bekam viel Geld, wenn er ihn auslieferte. Noch nie hatte sich Thomas so schnell angezogen wie an diesem Morgen. Er machte die Knöpfe an Hose und Hemd nicht zu, warf sich den Brustbeutel über, stieg in seine Camel-Boots, zog den Hosengürtel zu und huschte aus seiner Hütte. Vorbei am Dornengestrüpp schnell zum Hintereingang, der zum Ufer führte, verschwand er aus dem Dorf. Er sah sich nicht um, rannte zum Fluss, folgte den Lkw-Spuren, die dort noch von der letzten Fahrt zur Lodge zu sehen waren. Diesmal hatte er nichts mitnehmen können. Kein Spaten würde ihn schützen, kein Seil konnte ihm helfen, nur das nackte Leben hatte er gerettet, jedenfalls zunächst.
    Im Dorf heulte der Landrover auf. Sie mussten sein Fehlen bemerkt haben. Was jetzt? Nirgendwo war ein Baum oder Strauch in der Nähe, hinter dem er sich hätte verstecken können. Blieb nur der Fluss. Thomas warf sich mit seinen Kleidern komplett hinein, fand zum Glück eine tiefere Mulde, in der er gut verschwinden konnte. Der Landrover kurvte um das Dorf

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