Blutstern
aufzunehmen. Dann ging er mit schwingenden Bewegungen langsam weiter. Das Gras wurde höher. Nur sein Kopf und die Schultern waren zu sehen. Der Massai-Krieger fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Das Tier war abgelenkt, schien etwas vor sich bemerkt zu haben. Plötzlich richtete sich eine lächerliche Figur in etwa 200 Meter Entfernung auf, ein WeiÃer mit einem Klappspaten, der voll im Wind stand und wohl verrückt geworden sein musste.
Du wirst mir meine Beute nicht rauben, dachte der junge Moran. Er begann zu rennen. Die Perlenschnüre auf seiner Brust bewegten sich rhythmisch und verursachten ein klickendes Geräusch. Der Löwe rannte mit mächtigen Sprüngen auf den WeiÃen zu, der weiterhin seinen Spaten schwang, als ob man mit einem Spaten etwas gegen den König der Savanne ausrichten konnte. Mit wütendem Brüllen warf sich der Löwe auf ihn. Im selben Augenblick war der junge Moran bei ihm. Er stieà ihm seinen Speer mit aller Kraft in die Seite. Das Tier warf seinen Kopf herum, wollte sich auf den Moran stürzen, aber der Speer zeigte bereits Wirkung. Der Löwe begann zu taumeln und sank mit einem mächtigen Brüllen zu Boden. Den WeiÃen begrub er halb unter sich. Stolz richtete sich der junge Moran auf und versetzte dem sterbenden Tier den TodesstoÃ. Das war sein Löwe. Inzwischen kamen auch die übrigen Morani mit wildem Geschrei zum getöteten Löwen, dessen Kopf mit der stattlichen Mähne auf die Seite gesunken war und dessen Pranken ein letztes Mal unruhig zuckten. Sie nahmen Thomas und den Löwen mit, trugen beide durch die Savanne, bis sie ihr Massai-Dorf erreichten, das in der Nähe eines Flusses lag.
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Irgendwann kam Thomas wieder zu sich. Es war dunkel. Die Luft roch nach Rauch, er hörte das Meckern einer Ziege und fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Sein Blick ging nach oben, streifte das Hüttendach aus geflochtenen Zweigen und blieb an einer etwas gröÃeren Ãffnung hängen, durch welche er die Sterne sehen konnte. Mein Gott, ich lebe, dachte er. Ich habe den Kampf mit dem Löwen überstanden, liege hier auf einer Lederpritsche, wahrscheinlich bei den Massai. In der Mitte der Hütte glimmte ein Feuer, welches seinen Rauch durch die Ãffnung in die Nacht entlieÃ.
Gespannt kroch er zum Eingang der Hütte. Vorsichtig schob er seinen Kopf durch die geflochtene Türöffnung und spähte nach drauÃen. Im Halbkreis waren niedere, mit Kuhmist und Lehm beworfene Hütten zu sehen und dahinter türmte sich ein Wall aus Dornengestrüpp, der die Siedlung der Massai schützend umgab.
Thomas trat gebückt aus dem Eingang seiner Hütte, richtete sich taumelnd auf und hielt sich an der Seitenwand der Hütte fest, die ihm nur bis zur Brust reichte. Die frische Nachtluft durchströmte seine Lungen. Er sah das Sternenzelt über sich und wusste, dass er leben wollte, dass er kämpfen würde um sein Glück. In der Mitte des Dorfes befanden sich Schafe, Ziegen und Rinder hinter einer weiteren Dornenhecke. Die Ziegen begannen unruhig zu meckern und die Rinder scharrten und stampften, als sich Thomas dem Viehkral näherte. Jetzt bloà nicht das ganze Dorf aufwecken. Wenig später lag er wieder auf der Lederpritsche.
Er war nur mit einer Unterhose bekleidet und spürte seinen Massai-Schmuck am Hals und am Oberarm. Den hatten sie ihm gelassen. Vielleicht war es sein Glück gewesen, dass er sich im Baobab Ressort mit diesem Massai angefreundet hatte. Vielleicht hatten sie erkannt, dass dieser Schmuck echt war und ihn nur deshalb gerettet. Sein lederner Brustbeutel hing neben der Pritsche. Hose, Hemd und Schuhe lagen am FuÃende. Thomas öffnete gespannt seinen Brustbeutel. Sein Pass, die Kreditkarte, der Kartenausschnitt aus dem Reiseführer â alles war noch vorhanden. Er legte den Brustbeutel um den Hals, als ob er damit seinen Besitzanspruch bekräftigen wollte, und schlief erschöpft wieder ein.
»Jambo!«, begrüÃten ihn am nächsten Morgen zwei Massai-Frauen. Sie schienen sich zu freuen, dass er zu sich kam.
»Jambo«, antwortete Thomas, erhob sich langsam und zeigte auf den Eingang der Hütte. Die beiden Frauen schienen zu verstehen und lieÃen ihn passieren. Sie folgten ihm ins helle Tageslicht. Ihr Alter konnte er schwer abschätzen. Vielleicht waren sie 30 oder 40. Ihre Köpfe waren kahl rasiert, dafür durch Metallplättchen
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