Blutstern
Wind, in der FuÃgängerzone waren Fähnchen quer über die Gassen gespannt.
Aschaffenburger Fashion Week war das Zauberwort. Der alte Johann Flieger hatte die Idee gehabt: »Lasst uns eine Mode-Messe durchführen, um die Leistungen der Aschaffenburger Bekleidungsindustrie noch besser bekannt zu machen.«
Er hatte lange dafür gekämpft. Endlich war es so weit. Alle waren schlieÃlich dafür, Oberbürgermeister und Landrat wollten bei der Eröffnung sprechen, in der ganzen Stadt wurden Bühnen aufgebaut, auf denen die örtlichen Firmen ihre Kollektionen präsentieren sollten. Sogar der bayerische Ministerpräsident lieà es sich nicht nehmen, sich als Förderer der heimischen Wirtschaft zu präsentieren.
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Die Stadthalle war festlich beleuchtet. Bereits in der Tiefgarage traf Sabine Flieger auf Alexander Leitner. Sie steckte in einem eng anliegenden, schwarzen Kleid und sah umwerfend aus. Sie trug ihre blonden Haare offen und machte den Eindruck, als müsse sie ihren Vater und dessen Firmenanteile würdevoll repräsentieren.
»Na, auch hier?«, begrüÃte sie Alexander.
»Blöde Frage«, hätte sie am liebsten gesagt. Sie biss sich stattdessen auf die Zunge, sagte gar nichts, ging stumm an ihm vorbei, war noch tief getroffen von den heftigen Annäherungsversuchen bei ihrem letzten Besuch bei Leitners.
Ihre Mutter und Oskar Leitner begrüÃten sich überschwänglich mit Küsschen rechts und Küsschen links, während Annabelle Leitner aus dem schweren Mercedes stieg, der kaum in die Parklücke passte.
»Ich konnte für uns alle am selben Tisch reservieren«, verkündete Oskar Leitner freudig. »Eine gute Gelegenheit, sich ein wenig zu unterhalten.«
Sabine lief ein unbehaglicher, kalter Schauer über den Rücken. Lieber wäre sie am anderen Ende der Welt gewesen, als mit Alexander Leitner und seinen Eltern auf diesem Ball am selben Tisch zu sitzen. Sie stand unter Beobachtung. Die Presse interessierte sich mehr für sie, als ihr lieb war.
Als sie den Treppenaufgang aus der Tiefgarage nach oben kamen und die gläsernen Eingangstüren zum Erdgeschoss der Stadthalle passierten, gab es ein Blitzlichtgewitter. Sabine versuchte auf dem roten Teppich Abstand von Alexander zu halten, aber der drängte sich neben sie, strahlte in die Kameras, wollte offensichtlich mit ihr fotografiert werden, um seine Nähe zu ihr zu beweisen.
»Später kann man sicher die Bilder kaufen«, freute er sich.
Sabine war das unangenehm. Sie wollte keine gemeinsamen Bilder mit ihm, doch sie konnte es nicht verhindern, denn wenn sie ihn von sich gestoÃen hätte, wäre es sofort zum Eklat gekommen. Die Presse wusste von ihrer früheren Beziehung und beobachtete alles ganz genau.
Oskar Leitner hatte einen der vorderen Tische reserviert, direkt bei der Tanzfläche. Sabine war froh, dass sie wenigstens nicht neben Alexander Leitner sitzen musste, sondern einen Platz zwischen ihrem Opa, Johann Flieger, und ihrem Onkel, Martin Flieger, bekam.
»Wir müssen zusammenhalten«, hatte ihr GroÃvater sehr nett gesagt, als es um die Platzverteilung ging.
Er war nervös, da er den Ball eröffnen sollte. Selbst sein hohes Alter schützte ihn vor Lampenfieber nicht. So blätterte er unruhig in einigen Zetteln und ergänzte hier und da etwas in seinem Redemanuskript. Sabine sah ihm dabei zu und bewunderte den groÃen alten Mann der Aschaffenburger Bekleidungsindustrie. Braun gebrannt und mit vollem weiÃem Haar sah er beeindruckend aus in seinem dunklen Anzug mit weinroter Krawatte.
»Ich freue mich, dass es endlich so weit ist«, seufzte er. »Du kommst mit mir nach vorne zum Mikrofon, Sabine. Bei der Eröffnung unseres groÃen Balles darf das Weibliche nicht fehlen.«
Sabine fuhr zusammen. Damit hatte sie nicht gerechnet. Wenn er ihre Mutter gebeten hätte oder die Frau von Martin Flieger, ihrem Onkel. Aber ausgerechnet sie?
»Ich weià nicht«, stammelte sie, »die vielen Leute, und die Zeitung.«
»Aber ich weië, sagte Johann Flieger sehr bestimmt. »Ich brauche dich nur anzusehen, dann fühle ich ganz genau, dass du die Richtige bist. Du wirst Flieger-Moden vertreten. Komm, mein Kind ⦠«
Er bot ihr den Arm an, zog sie förmlich mit sich, sie konnte nichts mehr sagen und ging mit ihm zum Mikrofonständer, der vorn auf der Tanzfläche aufgebaut
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