Blutstern
erhalten. Sogar ein Konto für Peter Hauser war bei der Sparkasse eingerichtet worden. Er führte seinen neuen Ausweis bei sich, seinen Führerschein, eine Mappe mit Zeugnissen und Dokumenten, alles auf Peter Hauser ausgestellt.
»Am besten nehmen Sie sich einen Mietwagen für einige Wochen«, hatte ihm der Kommissar empfohlen. »Ein neues Auto konnte ich nicht auch noch für Sie beschaffen. Ich habe genug auf meine Kappe genommen.«
Er hatte wirklich an alles gedacht, sogar eine Wohnung in der Ãsterreicher Kolonie besorgt, einer Wohnsiedlung im Nordosten Aschaffenburgs. »Dort gibt es diesen urigen Tante-Emma-Laden«, erklärte Rotfux. »Da bekommen Sie alles, was Sie brauchen: Brot, Wurst, Käse, Obst, Gemüse, Zeitungen und Zeitschriften oder auch Telefonkarten. Irgendwie ist die Inhaberin die gute Seele des Viertels. Und vor allem: Sie weià immer über alles Bescheid. Die redet mit den Leuten. Sie ist sehr nett und hat mir den Tipp mit der leer stehenden Wohnung gegeben, als ich meinen Morgenkaffee bei ihr trank.«
Thomas Drucker lieà sich mit einem Taxi zunächst zu seiner neuen Behausung bringen. Den Häusern der Ãsterreicher Kolonie sah Thomas an, dass sie überwiegend aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stammten. Es waren kleine, verwinkelte Gebäude, mit schiefergedeckten Dachgauben und romantischen Vorgärten, die hier mit viel Liebe gepflegt wurden. Das Taxi passierte den Tante-Emma-Laden, von dem der Kommissar gesprochen hatte. Einige ältere Leute saÃen an einem gemütlichen Tisch davor. âºBackwaren â Lebensmittel â Getränke â Zeitschriftenâ¹ war oberhalb der Eingangstür zu lesen. Wenig später hatten sie ihr Ziel erreicht. Thomas bezahlte das Taxi und stand vor seiner neuen Unterkunft. Er öffnete das Tor des hölzernen Gartenzaunes, durchquerte den blumengeschmückten Vorgarten, stieg vier oder fünf Treppenstufen zum Eingangspodest nach oben und schellte an der Haustür. âºFröhlichâ¹ und âºHauserâ¹ war auf dem Klingelschild angeschrieben. Sogar meinen neuen Namen haben sie bereits angebracht, dachte er. Ihm fiel der graue Natursteinsockel auf, der für diese Häuser typisch war, und er sah den Gartenschlauch, der links vom Eingang vor dem Sockel aufgehängt war. Nachdem er eine Zeit lang gewartet hatte, schellte er nochmals. Kommissar Rotfux hatte ihm gesagt, dass seine Vermieterin schwerhörig sei, aber geistig fit und sehr nett. SchlieÃlich klingelte er Sturm. Entweder ist sie so gut wie taub oder sie ist nicht da, dachte er. Endlich hörte man Schritte im Hausflur, die Tür öffnete sich einen Spalt und der weiÃhaarige Kopf einer alten Frau erschien.
»Ich brauche nichts«, sagte sie und wollte die Tür wieder schlieÃen, doch Thomas Drucker war schneller.
»Peter Hauser, Ihr neuer Mieter«, stellte er sich vor, während er seinen Ausweis aus dem Geldbeutel holte.
»Ach so, Entschuldigung, Sie sind das. Zeigen Sie mal.« Sie rückte ihre Brille auf der Nase zurecht und betrachtete den Ausweis. »Peter Hauser«, las sie laut vor, »ja, das hat der Kommissar gesagt. Sie sind wohl ein guter Freund von ihm?«
»Wir kennen uns schon länger und er war mir bei der Wohnungssuche behilflich.«
»Dann kommen Sie mal mit. Ich zeige Ihnen die Wohnung.«
Sie führte ihn über eine steile Holztreppe nach oben und ging mit ihm die Zimmer durch: Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad und Küche. Alles mit uralten Möbeln ausgestattet, die zu diesem Haus und der weiÃhaarigen Vermieterin passten.
»Die Möbel«, erklärte die alte Frau, »sind älter, aber alle noch gut. Die Kommode und den Ohrensessel lieà der Kommissar bringen.«
Thomas traute seinen Augen kaum. Im ersten Augenblick war es ihm gar nicht aufgefallen, nun sah er, dass es die Kommode seiner Oma Maria Beletto war, die der Kommissar hier hatte aufstellen lassen. Ebenso der Ohrensessel, in dem sie abends vor dem Fernseher gesessen hatte. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
»Ja, das war sehr freundlich von ihm«, brachte er nur hervor.
Seine neue Vermieterin erklärte ihm den Durchlauferhitzer im Bad, übergab ihm die Wohnungsschlüssel und verabschiedete sich nach unten.
»Wenn Sie Fragen haben, Herr Hauser, klopfen Sie einfach bei mir. Ich bin fast immer da. Komme kaum noch aus dem Haus. Gehe höchstens in den kleinen
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