Blutstrafe - Thriller
mir wie Schuppen von den Augen.«
Sie schwebte näher. Sicher, sie suchte Trost, und ich muss zugeben, dass ich versucht war, sie in meine Arme zu nehmen und ihr Gesicht an meine Brust zu drücken.
Doch die Versuchung ließ sich leicht beiseiteschieben. » Meine Arbeit hat mich auch nicht zu einem netteren Menschen gemacht, Cathy«, gab ich zu bedenken. » Aber Sie müssen immer wissen, wo die Grenze ist. Und wenn der Tag kommt, an dem ich diese Grenze nicht mehr erkenne, werde ich meine Dienstmarke abgeben.«
Meine Stimme klang nicht einladender als das, was ich sagte. Cathy stoppte ihren Annäherungsversuch.
» Ich mache Ihnen ein Friedensangebot.« Sie zog einen Umschlag aus ihrer Handtasche, den sie auf den Tisch fallen ließ, bevor sie sich zur Tür zurückzog.
» Hassen Sie mich ruhig weiter, Mike. Sie sollen nur wissen, dass ich nicht so bin, wie Sie denken. Wirklich nicht.«
Dann war sie weg.
Natürlich war sie nicht so. Jedenfalls nicht, wenn nichts für sie heraussprang.
Der Umschlag enthielt den Ausdruck einer E-Mail des Lehrers an sie.
Am Ende der Nachricht stand eine Yahoo-Messenger-Adresse, unter der man mit ihm Kontakt aufnehmen konnte: TEECH1.
Ich beschimpfte Calvin durch zusammengepresste Zähne dafür, dass sie mir diese Mail nicht sofort weitergeleitet hatte. Von wegen Friedensangebot! Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und überlegte, was ich mit der Information anfangen sollte.
Internetnachrichten abzufangen war schwierig und kompliziert. Damit ein Internetanbieter zur Kooperation bereit war, musste man zuerst einen Gerichtsbeschluss erwirken, und dann war es immer noch möglich, dass die Nachrichten aus einer öffentlichen Bibliothek oder einem College abgeschickt wurden.
Ich kam zu dem Schluss, dass wir dafür keine Zeit hatten, und wagte einen Schuss ins Blaue. Rasch hatte ich mir eine eigene Yahoo-Messenger-Adresse eingerichtet.
Dann schickte ich dem Lehrer eine Nachricht.
MIKE10: Habe Ihre Leitlinien erhalten.
Was dann geschah, haute mich um: Nach einer kurzen Pause erhielt ich eine Antwort.
TEECH1: Was halten Sie davon?
MIKE10: Sehr interessant. Können wir uns treffen?
TEECH1: Sind Sie Polizist?
Ich zog in Erwägung zu lügen, entschied mich aber dagegen. Diesen Kerl wie einen Dummkopf zu behandeln würde nichts bringen.
MIKE10: Ja, ich bin Detective des NYPD.
TEECH1: Ich wollte diese Polizisten nicht töten, Mike. Ich mag Polizisten. Sie gehören zu den wenigen auf der Welt, die noch an Gut und Böse glauben. Aber ich musste flüchten. Was ich tue, ist wichtiger als das Leben von zwei guten Menschen.
MIKE10: Vielleicht könnte ich Ihnen helfen, Ihre Leitlinien zu verbreiten.
TEECH1: Ich komme ganz gut zurecht, Mike. Tod und Mord ziehen die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich. Dann spitzen sie endlich die Ohren.
44
Angespannt über meine Tastatur gebeugt, versuchte ich eine andere Taktik.
MIKE10: Im Gespräch mit jemandem würden sich vielleicht neue Perspektiven bei Ihrem Problem ergeben.
TEECH1: Wo denken Sie hin? Ich habe keine Probleme. Ich löse sie. Die Leute glauben, sie können anderen auf den Sack gehen und ungeschoren davonkommen. Warum? Weil sie Geld haben. Geld ist Scheißhauspapier mit einer Zahl drauf. Es macht einen nicht immun gegen die Verantwortung als Mensch.
MIKE10: Der Verkäufer und der Oberkellner und die Stewardess hatten kein Geld. Also haben Sie sich wegen was anderem über sie geärgert. Ich würde Sie gerne verstehen, also sagen Sie mir bitte, warum Sie sie umgebracht haben.
TEECH1: Umgebracht?
MIKE10: Sind Sie derjenige, der diese Menschen erschossen hat?
TEECH1: Natürlich. Ich wehre mich nur gegen dieses Wort. Umgebracht impliziert, dass diese Tiere, die ich vernichtet habe, menschliche Wesen waren. Ihre Familien sollten beten und mir danken, dass ich diese jämmerlichen Faulpelze aus der unwürdigen Sklaverei befreit habe, aus der ihr Leben bestand.
Langsam nahm die Sache Formen an.
MIKE10: Tun Sie Gottes Werk?
TEECH1: Manchmal glaube ich das. Ich kann nicht behaupten, zu wissen, wie Gott in der Welt wirkt. Aber er könnte es durch mich tun. Warum nicht?
Lehrer? Das Einzige, was dieser Kerl anderen beibringen könnte, wäre, wie man als Wahnsinniger lebt.
MIKE10: Ich kann nicht glauben, dass Gott will, dass Sie Menschen umbringen.
TEECH1: Er geht geheimnisvolle Wege.
MIKE10: Was werden Sie als Nächstes tun?
TEECH1: Hach! Das wüssten Sie wohl gerne. Das habe ich schon den Polizisten gesagt, und jetzt sage ich es
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