Blutstrafe - Thriller
dazu bringen, den Whiskey aufzumachen. Er würde betrunken und ohnmächtig werden. Oder, noch besser, ich könnte ihm eins mit der Flasche überbraten. Lust dazu hätte ich, dachte ich.
» Mein Leben änderte sich völlig«, fuhr er fort. » Ich besuchte versnobte Colleges und dann das noch elitärere Princeton. Doch nach meinem Abschluss ging ich nicht an die Wall Street, wie mein Stiefvater wollte, sondern zu den Marines. Ich begann als einfacher Soldat und endete bei der Spezialeinheit. Ich wurde als Pilot ausgebildet, genau wie mein Bruder.«
Ohne Zweifel als Klassenbester, dachte ich, als mir sein effektiver Umgang mit der Waffe einfiel.
» Als ich aus dem Dienst ausschied, arbeitete ich für das multinationale Sicherheitsunternehmen Cobalt. Das war großartig. Irak war nur der Anfang. Es war wie bei der Spezialeinheit, nur besser. Eine Zeitlang war es toll. Cobalt ist das Unternehmen, wegen dem sich in letzter Zeit die Gemüter erhitzten. Verfolgen Sie die aktuellen Ereignisse, Mike?«
» Ich tue, was ich kann«, antwortete ich.
» Nun, das FBI wird sogar versuchen, mir dafür einen Mord anzuhängen. Natürlich habe ich diese Menschen getötet. Wer auf meine Männer schießt, bekommt es mit mir zu tun. Will uns das FBI etwa anklagen, weil wir am Leben geblieben sind? Scheiß drauf. Ich kam zurück, um diesen Quatsch zu bekämpfen. Um darauf hinzuweisen, dass wir uns in so was wie einem Kriegsgebiet befinden. Cobalt engagierte eine PR-Agentur, um unseren Ruf wiederherzustellen. Wir sollten in den Morgenmagazinen auftreten und Klartext reden. Es war alles vorbereitet.«
Er legte eine Pause ein, um einen Schluck zu trinken.
» Ist nicht aufgegangen, die Rechnung?«
» Nun, das war, bevor ich hier in New York in meine Wohnung kam, um mein Gepäck abzustellen, und meinen Bruder fand.«
Meyer blickte plötzlich mit traurigem Gesicht zu Boden. Ich hätte nicht gedacht, dass er zu solchen Gefühlen fähig war.
» Mein Bruder hat sich das Hirn weggepustet. Es war auf den Wohnzimmertisch und über den Teppich gespritzt. Auf dem Tisch lag ein dreiseitiger Abschiedsbrief. Demnach hatte sich seine Situation völlig beschissen entwickelt, während ich fort war. Er hatte eine Affäre mit einer Stewardess, was seine Frau Erica herausfand. Sie reichte die Scheidung ein. Das große Geld, das schicke Haus – alles gehörte ihr, so dass er mit leeren Taschen dastand. Dann kam der letzte Schlag. Er wurde erwischt, als er sich vor einem Flug von London nach New York ein paar Gläser genehmigte. Und zack, war er auch den Job los.«
Diesmal nahm ich einen Schluck von meinem Bier, um meine Verwirrung zu überspielen.
» Ganz am Ende des Abschiedsbriefes befand sich eine Liste der Menschen, die ihm Böses angetan und ihn › zu diesem Schritt getrieben haben‹, wie er sich ausdrückte.« Bill Meyer stieß einen tiefen Seufzer aus und winkte mit seiner waffenfreien Hand, als würde diese Geste alles erklären.
Ich nickte langsam, während ich mit meiner Mimik krampfhaft zum Ausdruck bringen wollte, dass ich jetzt alles begriff.
» Als ich über der Leiche meines Bruders stand, fügten sich alle Einzelteile zusammen. Ich hatte ihn verlassen, als wir Kinder waren. Ich hatte ihn nie angerufen, ihm nie geschrieben, ihn immer abgewiesen. Ich war ein egoistischer Wichser. Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass ich derjenige war, der ihn umgebracht hatte, so als hätte ich selbst den Abzug betätigt. Meine erste Reaktion bestand dann auch darin, die Waffe an meinen eigenen Kopf zu halten. Ich wollte mich ebenfalls umbringen, so durcheinander war ich.«
Wenn du deinem ersten Impuls nur gefolgt wärst, wollte ich sagen. Lange nachzudenken bringt nichts.
» In dem Moment fiel mein Entschluss. Scheiß darauf, mich öffentlich zu verteidigen. Scheiß auf meine Karriere, mein Leben und den ganzen Kram. Mein Leben lang hatte ich mich nur nach Kampfeinsätzen gesehnt. Jetzt wollte ich, dass meinem Bruder Gerechtigkeit widerfuhr, und das sollte mein letzter Einsatz werden. Ich wollte Tommy ein Abschiedsgeschenk machen. Vielleicht hatte ihm der Mut gefehlt, sich gegen die Menschen zu wehren, die sein Leben ruiniert hatten, aber ich war mutig genug. Also beschloss ich, die Gladstone-Brüder mit großem Trara in die Welt hinauszuschicken.«
Damit hatten wir also Recht gehabt, dachte ich. Die Opfer waren Menschen, die Thomas Gladstone Unrecht getan hatten. Allerdings hatte nicht Gladstone seine Feinde umgebracht,
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