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Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)

Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Giuttari
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er mit Blaulicht und Sirene fuhr, brauchte er fast zehn Minuten für eine Strecke von gerade mal neun Querstraßen.
    »So wird es bleiben, bis die letzten Läufer das Ziel erreicht haben. Auf der ganzen Strecke bis zum Central Park. Wie jedes Jahr«, bemerkte er.
    »Tja, es ist halt ein besonderer Tag, nur nicht für uns«, erwiderte Reynolds.
    Als sie endlich die East 42nd Street erreichten, parkte der Fahrer in zweiter Reihe und ließ sie aussteigen.
    Reynolds sah sich um. Kein Anzeichen von Journalisten. Der Bürgersteig war bereits abgesperrt. Ein Streifenpolizist hob das gelbe Band an und ließ sie passieren. Sie betraten das Wohnhaus. In der Eingangshalle herrschte eine beunruhigende Stille. Der Aufzug brachte sie zum neunzehnten Stock. Dort kam ihnen der Streifenführer entgegen, der vor der Tür der letzten Wohnung am Ende des Flurs gestanden hatte.
    »Guten Tag, die Herren.«
    »Was ist passiert?«, wollte Reynolds wissen.
    »Ein Blutbad.«
    »Was?!«
    »Dort drin liegen sechs Leichen.« Er zeigte über seine Schulter auf die weit geöffnete Wohnungstür. »Schlimmer Anblick.«
    »Haben Sie die Tür offen vorgefunden?«, fragte der Lieutenant.
    »Ja, aber sie wurde nicht aufgebrochen.«
    »Das heißt, sie wurde offen gelassen?«
    »Nein …«
    »Was dann?«
    »Die junge Frau dort hat sie mit ihrem Schlüssel aufgeschlossen«, antwortete der Streifenführer und deutete auf eine Zeugin auf der anderen Seite des Flurs.
    Reynolds musterte sie. Eine anmutige junge Frau in engen Hüftjeans, einer schwarzen Lederjacke und hochhackigen Lackstiefeletten, dunkelbraune Haare mit topmodischem Kurzhaarschnitt. Sie saß auf einem Stuhl. Neben ihr machte sich ein Polizist Notizen.
    »Wer ist das?«, fragte er.
    »Die Nichte des Wohnungsinhabers. Sie hat auch den Notruf verständigt. Ihre Angaben bei dem Kollegen klangen ziemlich verwirrt.«
    »Was hat sie gesagt?«
    »Dass sie die Wohnungstür mit ihrem Schlüssel geöffnet hat, beim Hereinkommen eine Leiche gesehen hat und aus Angst sofort wieder rausgerannt ist.«
    »Aha. Wie heißt sie?«
    »Maria Pre… Einen Moment, es ist ein italienischer Familienname …«
    Der Polizist blätterte in seinem Notizbuch. »Prestipino, genau, Maria Prestipino, Lieutenant.«
    »Danke.«
    »Soll ich sie zu Ihnen bringen?«
    »Nein, ich will zuerst einen Blick in die Wohnung werfen.« Dann, als hoffte er, sich verhört zu haben: »Sind es wirklich sechs Leichen?«
    Der Streifenführer sah ihn an.
    »Ja, Lieutenant. Fünf Männer und eine Frau. Alles Erwachsene.«
    »Wer sind sie?«
    »Das wissen wir noch nicht. Möglicherweise ist einer der Wohnungsinhaber. Es scheinen Italiener zu sein, bis auf zwei: der Mann, der im Eingang liegt, und die Frau im Esszimmer.«
    »Geben Sie mir bitte ein Paar Handschuhe und Überschuhe«, bat der Lieutenant und fügte hinzu: »Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
    Der Polizist holte das Gewünschte aus einem kleinen Koffer und gab es ihm.
    »Mike, frag nach, wer von den Kollegen verfügbar ist, damit sie uns unterstützen«, befahl er, während er die Latexhandschuhe anzog.
    Bernardi nickte.
    John Reynolds betrat die Wohnung.
    Allein.

    Ein unverwechselbarer Geruch, süßlich und ekelerregend, schlug ihm entgegen, und zwar mit solcher Macht, dass ihm die Luft wegblieb.
    Der typische Gestank des Todes.
    Sein Blick fiel als Erstes auf die Vorladung, die seine Männer am Vorabend unter der Tür durchgeschoben hatten, dann auf die Leiche daneben, auf das getrocknete, bräunliche Blut. Ein erkaltetes Drama.
    Er atmete tief durch und ging weiter. Die Tür zum Esszimmer stand offen. Er trat ein. Neuer Verwesungsgeruch, noch übelkeiterregender als zuvor, traf ihn. Er sah sich um. Der Raum war groß und hell. Die Sonnenstrahlen, die durch die Fenster mit den zur Seite gezogenen Vorhängen hereinfielen, machten das Licht beinahe grell. Seine Augen wanderten zu den Kronleuchtern an der Decke. Sie brannten.
    An einer Seite stand ein Sofa, und darüber war ein großer, immer noch eingeschalteter Flachbildfernseher angebracht. Die Bilder einer italienischen Sendung von Rai International flimmerten darüber. An einer anderen Wand gab es zwei Polstersessel, deren Kissen das Grün einer kleinen Vitrine vis-à-vis wieder aufnahmen, über der ein großes Ölgemälde hing. Langsam bewegte er sich voran.
    Und sah weitere Leichen.
    Zwei Tote saßen vornübergesackt am Tisch, der festlich gedeckt war und in dessen Mitte mit Speisen beladene Platten standen. Zwei andere,

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