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Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)

Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Giuttari
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Schock und Trauer. Sie war kreidebleich und verstummte für einen Moment.
    »Und dann?«, drängte Reynolds sanft und sah ihr in die Augen, die außergewöhnlich dunkel und glänzend unter den verschwollenen Lidern hervorblickten.
    »Ich fing an, mir Sorgen zu machen. Zuerst dachte ich, er ist vielleicht krank geworden, aber dann habe ich mir gesagt, dass das nicht der Grund sein kann.«
    »Warum?«
    »Mein Onkel lebt nicht allein.«
    »Ist er verheiratet?«
    »Nein, aber er hat Personal, das bei ihm wohnt.«
    »Warum haben Sie sich am Central Park verabredet?«
    »Um uns mit weiteren Verwandten zu treffen. Und auch, um den Marathon anzusehen. Wie jedes Jahr.« Sie begann zu stammeln, war kaum noch zu verstehen.
    »Mit weiteren Verwandten?«, fragte Reynolds.
    »Ja. Ebenfalls Onkel von mir. Sie sind gestern aus Italien hier angekommen.«
    »Was haben Sie dann gemacht?«
    »Dann? Ich weiß nicht, nichts.«
    »Als Sie hier ankamen, was haben Sie gemacht?«, beharrte Reynolds.
    »Ich habe an der Tür geklingelt, aber es hat niemand geöffnet. Da begann ich mir ernsthaft Sorgen zu machen.« Sie fing zu weinen an, trocknete sich zittrig die Tränen und fügte mit dünner Stimme hinzu: »Er lag dort auf dem Boden … gleich am Eingang …« Sie schluchzte.
    »Beruhigen Sie sich, es ist vorbei.«
    Der Lieutenant war aufgestanden und tätschelte ihr die Schulter.
    »Beruhigen Sie sich, Miss. Wen meinen Sie mit ›er‹?«
    »Den Butler. Er war gleichzeitig der Chauffeur, und seine Frau machte die Wohnung sauber und kochte. Sie war eine tolle Köchin.«
    »Seit wann arbeiteten die beiden bei Ihrem Onkel?«
    »Seit über zehn Jahren, schon bevor sie geheiratet hatten.«
    »Italiener?«
    »Nein, Puerto Ricaner.«
    Reynolds wagte nicht, mit seinen Fragen fortzufahren, denn Maria Prestipino wurde immer blasser und machte den Eindruck, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. Sie entschuldigte sich und suchte die Toilette auf, begleitet von einer Polizistin. Unterdessen vervollständigte Detective Bernardi seine Notizen.
    »Sie haben also geklingelt, und niemand hat aufgemacht, ist das richtig?«, rekapitulierte der Lieutenant, als Maria zurückkam und sich wieder setzte.
    Die junge Frau nickte mit gesenktem Blick.
    »Was haben Sie dann getan?«
    »Ich habe mit dem Schlüssel aufgeschlossen, den meinOnkel mir gegeben hatte … Wenn er verreist war, wissen Sie, nicht in New York …« Sie stockte erneut.
    »Nur mit der Ruhe, Sie machen das gut. Haben Sie irgendwelche Einbruchsspuren an der Tür bemerkt?«
    »Nein. Wie gesagt, ich habe mit meinem Schlüssel aufgeschlossen wie immer.« Ihre Augen wurden noch glänzender, und sie spielte mit den kurzen Fransen ihres Ponys.
    Die Frage, ob sie etwas angefasst habe, verneinte sie und betonte, dass sie an der Tür stehen geblieben sei, erschüttert vom Anblick all des Blutes und des Toten. Sie habe dann zuerst ihre Eltern angerufen und anschließend die 911 gewählt.
    Der Lieutenant bat sie daraufhin, sich ein Herz zu nehmen und mit ihm zusammen in die Wohnung zu gehen, um die Leichen zu identifizieren.
    »Nein! Das kann ich nicht … bitte nicht … Das von vorhin hat mir gereicht … bitte nicht!« Sie hob ihren rechten Daumen zum Mund und begann, auf dem Nagel herumzukauen, nunmehr eindeutig in Panik.
    »Schon gut, Sie müssen nicht mit hinein. Aber können Sie uns sagen, ob Ihr Onkel irgendwelche Fotos auf dem Schreibtisch stehen hat?«
    »Warum fragen Sie das?«, stieß sie hervor.
    »Nur so …«
    »Er hat zwei Fotos dort stehen, die ihn vor der Kirche Madonna d’Aspromonte zeigen. Wie alle in unserer Familie ist er tiefgläubig. Eins von den Fotos wurde gemacht, als er erst achtzehn war.«
    Reynolds insistierte nicht weiter. Wenn zwei plus zwei vier ergab, hatte er erfahren, was er wissen wollte: Die Leiche im Arbeitszimmer war die von Rocco Fedeli.
    Lange sprach niemand ein Wort.
    Als dann wieder eine Frage gestellt wurde, gab die junge Frau an, ihren Onkel zum letzten Mal am vergangenen Freitag gesehen zu haben, als sie gemeinsam in seinem Restaurant zu Abend gegessen und sich für diesen Sonntag verabredet hatten.
    »Vielen Dank, Miss Prestipino. Ich muss Sie noch bitten, sobald wie möglich mit Ihren Eltern in mein Büro zu kommen, damit wir Ihre Aussagen zu Protokoll nehmen können.«
    »Gut, ich sage meinen Eltern Bescheid.« Ihr Gesicht nahm langsam wieder ein bisschen Farbe an.
    Als er sich von ihr verabschiedete, bemerkte Reynolds, dass ihre Hände feucht und

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