Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)
Krankenhäuser«, sagte er zu Bernardi, als er wieder in den Flur hinaustrat.
Der Kollege sah ihn fragend an. »Warum?«
»Neben einer der Leichen liegt eine Pistole, Kaliber 7.65, und auch eine Hülse. Das Opfer muss noch Zeit gehabt haben zu schießen.«
»Wird sofort erledigt.«
»Jetzt lassen wir erst einmal das Team von der CSU seine Arbeit erledigen. Danach muss die Wohnung aufs Gründlichste durchsucht werden, kümmere du dich persönlich darum. Und ruf auch beim zuständigen Bezirksstaatsanwalt an für den Fall, dass der sich in die Ermittlungen einschalten will.«
»Wird gemacht, John. Was hier passiert ist, scheint mir auf die Rechnung des organisierten Verbrechens zu gehen«, bemerkte Bernardi und verschwand.
John Reynolds verschnaufte kurz, dann legte er los: »Jetzt gebt mir mal die Personalien des Wohnungsinhabers.«
»Gestern eine, heute sechs Leichen«, ließ sich eine unverwechselbare Stimme vernehmen.
Reynolds fuhr herum. Es war Cabot. Schon wieder der. Sein Dienst war offensichtlich noch nicht beendet. Gerade jetzt ging ihm der wohltönende Bariton des Gerichtsmediziners, über den er mit Bernardi schon öfter Witze gerissen hatte, ziemlich auf die Nerven. Er hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, grüßte ihn jedoch und breitete in einer Geste der Hilflosigkeit die Arme aus. Dann sah er Cabot auf die Techniker von der Spurensicherung zugehen, die in Begleitung eines Detective den Tatort durchkämmten. Einer schoss Fotos aus jedem Winkel, um die Positionen der Leichen zu dokumentieren, ein anderer fotografierte sie aus nächster Nähe, wieder andere pinselten Silberpuder auf Oberflächen, um für das menschliche Auge unsichtbare Fingerabdrücke abzunehmen, oder gingen mit dem Staubsauger herum, um Fasern und Haare aufzusammeln, oder strichen Blutproben vom Fußboden ab … Die übliche Routine.
»Der Wohnungsbesitzer heißt Rocco Fedeli, hier sind seine Personalien«, sagte der uniformierte Polizist, der zuvor bei Maria Prestipino gestanden hatte, und gab dem Lieutenant einige Seiten.
John Reynolds begann zu lesen: Rocco Fedeli war vor Kurzem vierzig geworden. Geboren am 20. August 1963. Er war Italiener, stammte aus einem kleinen Dorf in Kalabrien namens San Piero d’ Aspromonte und war 1986 als Unternehmer nach New York gekommen. Aus dem Datenarchiv des Police Department ging hervor, dass er eine Firma besaß, die italienische Lebensmittel im ganzen Staat New York vertrieb. Ihm gehörten außerdem ein italienisches Restaurant an der Upper East Side, nahe dem Central Park, und ein Drei-Sterne-Hotel, das Hotel Jonio, in Little Italy. Er hatte keine Vorstrafen, noch nicht einmal wegen Steuerhinterziehung. Ein Niemand, was seine gespeicherten Daten betraf. Einer von vielen Italienern, die in Amerika ihr Glück gemacht hatten.
Reynolds faltete die Unterlagen zusammen und gab sie an Bernardi weiter, der gerade zurückgekommen war. »Das ist alles, was wir über den Hausherrn wissen. Er scheint sauber zu sein. Sein Name sagt mir gar nichts.«
»Gestern der Portier, erschossen mit einer Pistole mit Schalldämpfer, heute sechs Mordopfer in einer Wohnung und das alles im selben Haus – da muss es doch einen Zusammenhang geben!«
»Ja, Mike, das denke ich auch. Das kann kein Zufall sein.«
»Ich habe bei der Staatsanwaltschaft angerufen, der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt, Ted Morrison, wird in Kürze hier sein.«
»Danke, Mike.«
In diesem Augenblick hörten sie jemand weinen. Sie drehten sich um und gingen zum anderen Ende des Flurs.
»Es war vielleicht so gegen zwölf, höchstens halb eins, als ich beschlossen habe hierherzukommen.«
Maria Prestipino beantwortete die Fragen des Lieutenant, der sich auf einen zweiten Stuhl neben sie gesetzt hatte. Sie schluchzte, hielt die Arme vor der Brust verschränkt und wiederholte mit verstörtem Blick, was sie schon demuniformierten Beamten gesagt hatte. Nichts Neues bisher. Sie zerknüllte ein Papiertaschentuch in der Hand, mit dem sie sich hin und wieder die Augen betupfte.
»Und aus welchem Grund sind Sie hergekommen, Miss?«, fragte Reynolds.
»Meine Eltern und ich wollten uns um eins mit meinem Onkel treffen. Wir hatten uns am Central Park verabredet, in seinem Restaurant, und ich wollte ihn anrufen und Bescheid sagen, dass meine Eltern sich ein bisschen verspäten würden, aber er nahm nicht ab. Dann habe ich es auf seinem Handy versucht, konnte ihn aber nicht erreichen.«
Sie sprach leise, ihre Stimme klang belegt vor
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