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Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)

Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Giuttari
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darunter die Frau, lagen auf dem Marmorfußboden. Eine Flasche Rotwein war heruntergefallen und in tausend Scherben zersprungen. An der Wand hinter ihnen bemerkte er zahlreiche Einschusslöcher und getrocknete Blutspritzer. Noch mehr Blut auf den Möbeln.Dann sah er die Patronenhülsen auf dem Boden, alle kleinkalibrig: .22er.
    Er kniete sich hin, um die Leichen genauer zu betrachten. Ihre Gesichter waren furchtbar entstellt. Sie hatten überall Wunden und mussten aus nächster Nähe getroffen worden sein, weil ringsherum graue Substanz verspritzt war. Eingehend studierte er die Positionen und die Blutflecken.
    Ein wahrer Blutrausch hatte dieses Zimmer in ein albtraumhaftes Schlachthaus verwandelt.
    Reynolds stieg der süßliche Geruch erneut mit voller Wucht in die Nase, und er wich zurück. Er erinnerte sich an eine ähnliche Szene bei einem seiner ersten eigenverantwortlichen Einsätze in Manhattan vor fast zwanzig Jahren. Es war der 16. Dezember 1985. Gegen sechs Uhr abends war Paul Castellano, der mächtigste Mafiaboss seiner Zeit, zusammen mit seinem Chauffeur, der auch seine rechte Hand war, durch mehrere Schüsse auf einer belebten Straße voller Menschen, die Weihnachtseinkäufe machten, getötet worden. Die beiden Männer wollten gerade in ein Steakhouse gehen. Ein Bild der Verwüstung hatte sich ihm damals geboten. Hier wieder die gleiche Brutalität. Aber neue Mörder.
    Die alte italienische Mafia oder Cosa Nostra, wie sie in Amerika hieß, war mit dem letzten Paten, John Gotti, endgültig begraben und durch die chinesische Triade, die japanische Yakuza, die kolumbianische Piovra, die Jamaikaner und vor allem die Russen, die Brutalsten von allen, ersetzt worden. Dieser Tage spielte sie höchstens eine untergeordnete Rolle.
    Der Lieutenant verscheuchte die Erinnerungen und ging vorsichtig weiter. Es fehlte noch die sechste Leiche. Er fand sie in einem als Arbeitszimmer genutzten Raum am Endedes Flurs. Auch hier stand die Tür offen. Das Opfer lag auf dem Boden hinter dem Schreibtisch, auf dem Rücken und mit leicht gespreizten Beinen. Das zur Seite gedrehte Gesicht war praktisch unkenntlich. Das linke Auge war von einer Kugel zerfetzt worden, die die Augenhöhle und das Gehirn durchschlagen haben musste.
    Reynolds folgerte sogleich, dass das Opfer gestanden hatte, als es getroffen worden war und sein Mörder sich ihm direkt gegenüber befunden hatte. Die Schüsse in den Kopf verrieten eine eindeutige Handschrift: In dieser Wohnung hatte eine Exekution nach Mafiaart stattgefunden.
    Zwei weitere Details erregten seine Aufmerksamkeit.
    Das erste: eine goldene Rolex mit diamantenbesetztem Ziffernblatt am linken Handgelenk der Leiche. Ein Vermögen!
    Das zweite: eine Pistole auf dem Boden direkt neben der Leiche. Eine 7.65 mm. Nicht weit davon eine Patronenhülse vom gleichen Kaliber. Der Mann hatte offenbar noch Zeit gehabt, einen Schuss abzugeben, bevor er starb. Einen einzigen.
    Reynolds sah sich den Schreibtisch an, eine wertvolle Antiquität. Zwei Fotos in Silberrahmen standen darauf. Nur diese beiden. Er betrachtete sie interessiert. Zuerst das eine, dann das andere. Er brauchte eine Weile, um zu erkennen, dass sie denselben Mann in zwei verschiedenen Lebensphasen, aber in der gleichen landschaftlichen Umgebung mit einer Bergkapelle im Hintergrund darstellten. Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen diesem Mann und dem Opfer war festzustellen. Dann bemerkte er eine Landschaft in Öl an der einen Wand. Im Vordergrund war eine kleine Kirche abgebildet, vielleicht dieselbe wie auf den Fotos. Sein scharfer Blick wanderte zu einem großen Bücherschrank, dessen untere Türen offen standen. Er ging hin, hockte sich davor und sah einen geöffneten Safe darin. Leer. Er fixierte den Hohlraum und das Tastenfeld für die Kombination, als wollte er daraus auf den Inhalt schließen. Es war ein digitales Modell.
    Die übrigen Zimmer wirkten normal und aufgeräumt, vielleicht hatten der oder die Täter sie gar nicht betreten. Er prägte sich genau ein, was er gesehen hatte: Die Wohnung war luxuriös eingerichtet, der Besitzer musste sehr wohlhabend sein, keine Frage. Er suchte nach den Spuren eines Kampfes, ohne welche zu finden. Das waren gewiss keine Zufallsmorde. Die Opfer waren gezielt ausgewählt worden, der Mörder oder vermutlich eher die Mörder waren beim Eindringen in die Wohnung planmäßig vorgegangen und hatten möglicherweise den Inhalt des Safes mitgenommen.
    »Mike, starte gleich mal eine Anfrage an alle

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