Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
hätte, hätte Cleo sie überwältigen können. Mit einem Trottel wie Giles an der Seite wäre das Ganze zwar etwas schwieriger geworden, aber nicht unmöglich.
Und was passiert? Roy vermasselt bis auf eine alle seine Aufgaben, und selbst dann hätte noch alles klappen können, wenn Giles nur ruhig geblieben und einfach zu Carrie nach draußen gegangen wäre und dieser Reporterin erklärt hätte, dass sie Pech habe, weil er Carries Onkel sei und es kein Interview geben werde und auf Wiedersehen. Stattdessen packt dieser Trottel eine verfluchte Reporterin in den Van! Und erklärt ihr den Weg dorthin, wo Cleo mit einer Leiche wartet!
Zu allem Überfluss nennt der Vollidiot auch noch vor der Reporterin ihren Namen. Da war Cleo schlagartig klar geworden, dass er gleich ausrasten und der Frau weiß Gott was erzählen würde, wenn sie ihn nicht schnellstens beruhigte. Also hatte sie gelogen und wie gewohnt sein bedürftiges Ego gestreichelt. Als das Gespräch beendet war, hatte sie endgültig genug von Giles.
Ihr Fehler war allerdings gewesen, dass sie die Reporterin nicht auf der Stelle abgeknallt hatte. Das war ihr jetzt klar. Sie hatte sich von der Wut auf Giles den Blick darauf verstellen lassen, wie sie ihre Ziele erreichen konnte. Wenigstens hätte sie diesem Miststück die Schlüssel abnehmen sollen. Doch stattdessen: dilettantische Stümperei.
Nachdem sie Giles schnell und sauber getötet hatte, hatte sie eigentlich erwartet, dass die Reporterin und Carrie dankbar für die Rettung wären, doch stattdessen rast diese verrückte Kuh davon. Und dann, dann – Cleo konnte es einfach nicht fassen – dann wendet das Miststück auch noch und versucht, sie umzubringen!
Noch nie hatte jemand versucht, Cleo umzubringen. Bei der Vorstellung wurde ihr kalt bis ins Mark. Übelkeit und Schwindel wallten in ihr auf und hinderten sie am Zielen. Der Gedanke, dass sich jemand anders so fühlte, war eine Sache, doch sie selbst durfte niemals in eine solche Situation geraten.
Und dann noch der Blick dieser Frau! Sie durfte einfach nicht mehr daran denken. Es war zu verstörend.
Sie wagte nicht, anzuhalten und eine Pause zu machen. Weder Tankstellenmitarbeiter noch Bedienungen sollten sagen können, wo sie eine Frau gesehen hatten, auf die ihre Beschreibung passte.
Als sie das Motorrad versteckt hatte, ging bereits die Sonne unter. Mitsamt den Taschen stapfte sie den Hügel zu ihrem Wochenendhaus hinauf.
Roy saß mit den Kindern am Küchentisch, als sie hereinkam. Auf allen Gesichtern lag ein Ausdruck des Erstaunens, ehe sie sah, dass Roy ängstlich hinter sie blickte.
»Carrie ist nicht bei mir«, sagte sie. Als sie die Mienen der Kinder sah, fügte sie rasch hinzu: »Sie wollte lieber bei Großvater Fletcher bleiben.«
Die Kinder waren sofort erleichtert, doch Roy sah immer noch besorgt drein. Eines der Kinder, das Mädchen, meldete sich zu Wort. »Können wir alle zu Großvater Fletcher fahren?«
»Nein«, erwiderte Roy. »Nein, wir bleiben eine Weile hier.«
Sie waren alle viel zu gut erzogen, um seine Autorität infrage zu stellen, doch Cleo sah ihnen an, dass sie von seiner Entscheidung nicht begeistert waren.
»Wo ist Mommy?«, fragte der kleinere der beiden Jungen.
»Sie wollte auch lieber bei deinem Großvater bleiben«, sagte Cleo. »Deshalb hat sie mich gebeten, hierherzukommen und mich um euch und euren Dad zu kümmern.«
Darauf reagierten sie verwirrt, rebellierten aber nicht.
»Wer bist du?«, fragte der ältere Junge.
»Sie ist eure Cousine Cleo«, antwortete Roy, ehe sie ihn davon abhalten konnte, ihren Namen auszusprechen. Tja, was spielte es schon für eine Rolle, jetzt, wo Giles ihn der Reporterin auf dem Silbertablett präsentiert hatte? Jetzt, wo eine Reporterin sie der Polizei, ja der ganzen Welt beschreiben konnte? Sie begriff, dass sie ihr ganzes Leben würde ändern müssen.
Gut, dachte sie, doch zuerst würde sie der Reporterin die ganzen Unannehmlichkeiten heimzahlen, die sie verursacht hatte.
48. KAPITEL
DIENSTAG, 2. MAI, 12:35 PACIFIC DAYLIGHT TIME UNITED FLUG 0914
Dexter Fletcher dankte der Flugbegleiterin der ersten Klasse und nahm das Glas Wein entgegen. Die junge Frau blieb noch eine Weile stehen, ehe sie merkte, dass er nicht zum Plaudern aufgelegt war, und sich zurückzog. Ihm lag daran, dass sie sich nicht brüskiert fühlte, sondern annahm, er sei lediglich müde. Er war Fachmann in der schönen Kunst, eine Frau glauben zu machen, dass er ihr wann immer
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