Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
zu Besuch bei Ethan. Ben war auch da – er war gekommen, um mit Altair zu arbeiten, und saß nun mit Caleb und Ethan zusammen und wartete auf Neuigkeiten über meine Abenteuer in der Bergwüste. Da ich die Redaktion hatte aufsuchen müssen, ehe ich nach Hause fahren konnte, bestellten sie Pizza und leisteten Ethan Gesellschaft.
»In den Nachrichten!«, rief Caleb. »Das jüngere Mädchen – das ist meine Schwester!« Er hatte soeben die Bilder im Fernsehen gesehen. Während wir telefonierten, lud ich das Foto von Genie Fletcher auf den Bildschirm und musste zugeben, dass sie ihm enorm ähnlich sah. Er sagte, er sei überzeugt davon, dass Genie Fletcher Jenny war.
»Ich will keine falschen Hoffnungen wecken«, sagte ich. »Und du hast genug Erfahrung auf deinem Gebiet, um zu wissen, dass ein einziges Foto nicht genügt, um eine sichere Identifizierung vorzunehmen.«
»Du klingst wie Ben«, klagte er.
»Ben hat recht. Ich weiß nicht, ob Genie Fletcher deine Schwester ist, aber vielleicht sollten du und deine Mutter mal mit Detective Joe Travers von der Polizei Huntington Beach sprechen. Glaubst du, deine Mutter ist noch wach? Ruf sie doch mal an.«
Er schwieg lange, ehe er sagte: »Ich rufe sie an, wenn ich sicher weiß, dass es Jenny ist.«
Trotzdem merkte ich ihm an, dass mein Spruch mit den falschen Hoffnungen eine vergebliche Warnung gewesen war.
Über die Fernsehbildschirme in der Redaktion liefen unzählige Beiträge über die Ereignisse des Tages sowie Bilder von den Kindern, von Roy und von Bonnie/Victoria. Von Cleo erschien das Porträt eines Gerichtszeichners, da offenbar niemand ein Foto von ihr besaß. Etliche Kommentatoren wagten wilde Spekulationen, doch das war gar nichts im Vergleich zu den stundenlangen Live-Ratespielchen, die noch kommen sollten. Ich hatte es bereits gründlich satt, die Clips zu sehen, die einige von ihnen in Palmdale aufgezeichnet hatten. Das waren meine fünfzehn Minuten Ruhm, und ich sah aus, als käme ich aus einem Sandstrahlgebläse.
Ich hoffte, dass die vielen Berichte zu handfesten Spuren führen würden, da doch garantiert irgendjemand Roy und die drei Kinder gesehen hatte. Bei der Polizei gingen bereits die ersten Anrufe ein. Falls sämtliche Angaben korrekt waren, hatten Roy und die Kinder es Frank zufolge geschafft, an über sechshundert verschiedenen Orten in den Vereinigten Staaten und in Kanada aufzutauchen, und das noch dazu fast gleichzeitig.
Je länger Roy verschwunden blieb, desto schlimmer wurden die Befürchtungen.
Kurz bevor ich die Redaktion verließ, rief mich Edith Fletcher, eine Tochter von Graydon, die bei ihm lebte, in seinem Auftrag an. Wie Graydon mir ausrichten ließ, hatten sie die Polizei darüber informiert, dass Giles Fletcher dabei beobachtet worden war, wie er einen auf eine ihnen allen völlig unbekannte Firma eingetragenen Geländewagen vor Graydons Haus geparkt und dort stehen gelassen hatte. »Und anscheinend ist Roy in aller Frühe vorbeigekommen und hat ihn ausgeladen.«
»Was hat er herausgenommen?«
»Auf den Überwachungskameras sind nicht viele Einzelheiten zu erkennen, aber offenbar waren es Sport- oder Campingsachen – Segeltuchtaschen und eine Kühlbox und dergleichen. Die Polizei hat den Wagen und das Band. Wir hoffen, das hilft ihnen dabei, Roy zu finden, ehe … ehe irgendetwas passiert.«
»Wie oft war Roy denn mit seiner Familie bei Ihnen?«
»Ach, Roy selbst ist alle paar Wochen vorbeigekommen, aber die Kinder haben wir nur selten gesehen. Ich mag sie trotzdem sehr. Die Mädchen kenne ich besser als die Jungen. Sie helfen mir gern im Gewächshaus. So intelligente Mädchen! Direkt nach Sheilas Tod waren sie hier.« Sie hielt inne. »Ich kannte Sheila eigentlich kaum, aber – na ja, mittlerweile frage ich mich, ob ich Giles, Victoria und Roy gekannt habe! Nicht zu fassen, was da alles passiert ist. Und Carries Vater – wie er sich all die Jahre solche Sorgen um sie machen musste! Gott sei Dank haben Sie das Mädchen retten können. Dafür bin ich Ihnen ja so dankbar, das kann ich Ihnen gar nicht sagen. Und was Genie und Aaron und Troy angeht, da will ich nur hoffen, dass nichts Schlimmes passiert ist …« Sie konnte nicht zu Ende reden, und ich versuchte sie zu beruhigen. Wir plauderten noch eine Weile, und ich merkte, dass sie mir sympathisch war. Ich dankte ihr für ihren Anruf und informierte Mark über den zweiten Geländewagen.
Gerade als ich sie schon alle abschreiben wollte, lernte ich eines der
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