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Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Titel: Blutsverwandte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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die Schmerzen, die die Wunde verursachte, sondern das schlechte Gewissen, das Carrie nun plagte. Warum sollte sie ihre Eltern in irgendeiner Form infrage stellen? Sie hatte ein gutes Leben. Sie wusste von anderen Kindern, die unglücklich und vernachlässigt waren, einsam und ungeliebt. Ihre Mutter liebte sie und beschützte sie nach Kräften. Sicher, manchmal fühlte sie sich dadurch etwas eingeengt, ein bisschen erdrückt, doch was war schon dagegen zu sagen, dass man so sehr geliebt wurde? Dad liebte sie auch. Ihre Eltern taten ihren Kindern nie weh und verloren wirklich nur ganz selten die Beherrschung.
    Warum grübelte sie über Davor nach? Womöglich würde es sich als etwas Schlimmes entpuppen. War das nicht vielleicht der einzige Grund dafür, dass es geheim war? Und wenn es schlimm war, dann könnte es womöglich das Leben beenden, das sie jetzt hatte. Vielleicht würde sie diesen liebevollen Leuten weggenommen, die sie adoptiert hatten. Vielleicht würde sie Genie, Aaron oder Troy nie wiedersehen. Auf einmal rann ihr eine Träne übers Gesicht, als sie daran dachte, wie schlimm es von ihr gewesen war, herumzuschleichen, zu lauschen und Dinge wissen zu wollen, die sie nichts angingen.
    Ihre Mutter sah die Träne und wischte sie sachte weg. »Oh, Schätzchen«, sagte sie. »Tut mir leid, hab ich dir wehgetan?«
    »Nein …«, stieß Carrie mit erstickter Stimme hervor.
    Sie hörte, wie Genie nach oben kam, kurz in ihr Zimmer ging und sich dann im Badezimmer nebenan die Hände wusch.
    »Muss Carrie sterben?«, fragte Aaron mit geweiteten Augen.
    »Nein, du Dussel«, antwortete Carrie halb lachend, halb weinend und drückte ihn mit ihrer freien Hand an sich. »Ich stelle mich nur an wie ein Baby.«
    »Es könnte sich entzünden«, sagte Troy beinahe hoffnungsvoll.
    »Das lassen wir aber nicht zu, oder?«, wandte Mom ein.
    »Wir Fletchers kümmern uns umeinander«, erklärte Aaron, der bereits das Familienevangelium kannte.
    Genie erschien in der Tür. »Aber natürlich tun wir das«, sagte sie, ehe sie näher kam und besorgt die Stirn runzelte. Carrie war sich allerdings nicht sicher, ob sich das Stirnrunzeln auf den Anblick ihrer Wunde bezog. »Alles in Ordnung?«, fragte Genie und musterte Carries Miene.
    Auf einmal begriff Carrie, dass Genie enormen Ärger riskiert hatte, nur um ihr zu helfen. Genie, die auch ein Davor hatte.
    »Alles in Ordnung«, sagte sie.
    Wir Fletchers kümmern uns umeinander.
    »Fühlst du dich fit genug für unseren Einkaufsbummel?«, fragte Mom, die konzentriert den Kopf gebeugt hielt und die verletzte Hand sachte mit Verbandsmull umwickelte. An diesem Tag wollten sie Lebensmittel besorgen. Dad sollte auf die Jungen aufpassen, während Genie und Carrie Mom zum Supermarkt begleiteten. Carrie liebte diesen Ausflug.
    »Klar, mir geht’s gut, ehrlich.«
     
    Kurz bevor sie zum Supermarkt fuhren, konnte Genie ihr etwas zuflüstern. »Ich hab keine gefunden.«
    »Keine Zeitungen?«, flüsterte Carrie ungläubig zurück.
    »Ich hab’s an fünf Häusern probiert.«
    »Fünf! Ach du liebe Güte – du hättest erwischt werden können!«
    Genie wischte die Gefahr mit einer lässigen Handbewegung beiseite. »Hier in der Gegend kriegen alle den Orange County Register. Wir brauchen die Zeitung aus Las Piernas. Ich hätte bei Großvater danach suchen sollen, aber vielleicht können wir im Laden eine ergattern.«
    Doch als sie am Supermarkt anlangten, betraten sie ihn nicht durch den Eingang, den sie normalerweise benutzten. Carrie und Genie wechselten einen Blick. Sie brauchten nicht auszusprechen, was beiden schlagartig klar war – Mom nahm die andere Tür, weil neben der, durch die sie sonst hineingingen, die Zeitungskästen standen.
    Mach dir keine Sorgen , sagte Genie rasch in Gebärdensprache. Ich besorge eine.
    Carrie wusste nicht, ob sie den entschlossenen Blick auf der Miene ihrer Schwester fürchten oder bewundern sollte.

27. KAPITEL
     
    MITTWOCH, 26. APRIL, 09:15 UHR LAS PIERNAS
     
    Die vier Männer saßen schweigend da. Giles, Nelson und Dexter hatten ihrem Bruder Roy zugehört, ohne ihn zu unterbrechen. Giles, der Älteste, war froh darüber, dass sich das Schweigen in die Länge zog.
    Graydon Fletcher hatte oft gesagt, wenn einem jemand seine Probleme darlegte, solle man es als ein Privileg betrachten und erst dann antworten, wenn man sich Zeit genommen hatte, um genau über das Gehörte nachzudenken. Eine von Dads zahlreichen Lektionen.
    Nelson würde natürlich als Erster das

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