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Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Blutsverwandte: Thriller (German Edition)

Titel: Blutsverwandte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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Nachmittag würde sie vielleicht ein bisschen am Schießstand trainieren. Sie sann darüber nach, dass sie einen großen Teil ihres Lebens damit verbrachte, sich auf Ereignisse vorzubereiten, die vielleicht nur einmal im Jahr eintraten. Und das Aufregendste daran war immer in ein paar Augenblicken vorüber. Adrenalingeschwängerte Augenblicke, sicher, aber eben wenige.
    Das störte sie nicht. Sie wusste, dass viele Menschen jahrelang in Jobs arbeiteten, die nie auch nur eine aufregende Sekunde hergaben.
    Für ihre eigene Sicherheit war es am besten, wenn sie nicht zu oft arbeitete. Ihr Erfolg hing davon ab, dass sie gewisse Faktoren unter Kontrolle hatte, und einer dieser Faktoren war die Häufigkeit von Entführungen und Morden. Arbeitete sie zu oft, würde sich unweigerlich ein Muster herauskristallisieren, kleine Fehler (ein verlorener Schuh!) würden erst miteinander in Verbindung gebracht und dann zu ihr zurückverfolgt werden. Sie hatte Vertrauen in ihre Fähigkeiten, doch jeden konnte das Glück einmal verlassen. Es gab einfach Dinge, die niemand einplanen konnte – wie zum Beispiel, dass die beiden Reporterinnen ausgerechnet in diesem Moment zu Sheilas Haus kamen. Und dass ein Schuh zurückblieb, weil er im Matsch feststeckte.
    Vor langer Zeit war sie im Zusammenhang mit polizeilichen Ermittlungen einmal vernommen worden und wusste noch gut, wie stressig sie das gefunden hatte. Das war in ihrer Kindheit gewesen, als sie noch einen anderen Namen trug, und sie war nie auch nur in die Nähe einer Anklage gekommen. Die Erinnerungen an ihre ersten Lebensjahre hielt sie in einer entlegenen Ecke ihres Gehirns unter Verschluss, doch sie erinnerte sich deutlich an das Feuer und alles, was danach kam.
    Die Ermittler glaubten, sie sei Opfer einer Verkettung tragischer Ereignisse geworden. Ihre Eltern, die in der ganzen Nachbarschaft als schwere Raucher und Trinker bekannt waren, kamen bei einem Feuer ums Leben. Rauchen im Bett, erklärten die Brandermittler. Das zehnjährige Mädchen war mit knapper Not lebend davongekommen. So sah es jedenfalls für die Erwachsenen aus.
    Danach hatte man sie zu ihrem einzigen noch lebenden Großelternteil geschickt. Zur Mutter ihres Vaters, die ebenso fies war wie er und ebenso viel trank. Großmutter war in ihrem Swimmingpool ertrunken. Damals hatte es Fragen gegeben. Ein spindeldürrer Detective mit schwarzen Knopfaugen hatte sie gestellt, während sein Partner, der Cleo wie ein weiterer Trinker vorkam, betrübt zusah. Wusste sie, hatte der Dünne gefragt, warum ihre Großmutter mitten in der Nacht schwimmen gegangen war? Nein, das wusste sie nicht. Und warum sie mit Kleidern schwimmen gegangen war? Cleo zuckte die Achseln.
    Die Befragung hatte geendet, als Vera, die jüngere Schwester ihrer Mutter, aus Kalifornien gekommen war, um sich des zwölfjährigen Mädchens anzunehmen. Vera hatte zwei Anwälte im Schlepptau, die alle beide Fletcher hießen. Mit einem davon war sie verheiratet. Binnen weniger Tage waren sie unterwegs nach Kalifornien, wo Cleo bei ihrer Tante wohnen sollte.
    Tante Vera war mit sechzehn von zu Hause weggelaufen, schwanger und unverheiratet. Sie hatte das Glück, von einer Familie aufgenommen zu werden, die es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, Straßenkinder aufzulesen, und als sie feststellte, dass sie sich zu jung fühlte, um das Baby selbst aufzuziehen, hatten sie es zur Adoption in eine gute Familie vermittelt. Als Cleo auf der Bildfläche erschien, war Vera mit einem Fletcher verheiratet. Cleo merkte rasch, dass Vera ganz anders war als die übrigen Familienmitglieder, die sie gekannt hatte, und das nicht nur, weil sie weder rauchte noch trank. Sie wohnte noch keine vierundzwanzig Stunden unter dem Dach ihrer Tante, da hatte Vera ihr in die Augen gesehen und gesagt: »Überlegst du dir, mich um die Ecke zu bringen, Cleo? Ich hoffe nicht, denn wenn ich bei irgendeinem Unfall ums Leben komme, wird die Welt erfahren, was du bist.«
    Cleo sagte nichts. Sie versuchte nur, sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen.
    Veras Grinsen wurde breiter, ehe sie fortfuhr. »Außerdem wäre es eine Verschwendung deiner Talente. Ich habe mit einem meiner Cousins gesprochen. Die Familie könnte jemanden wie dich gebrauchen.«
    Cleo hatte nie Wärme gegenüber irgendjemandem empfunden, und sie entwickelte auch keine Zuneigung gegenüber ihrer Tante. Doch Vera und ihr Mann Greg sorgten für eine Form von Beständigkeit und Zuverlässigkeit, die bisher in ihrem Leben

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